Willkommensgruß im Schuhkarton: Privatleute und Schulklassen packen Geschenke für minderjährige Flüchtlinge

Völklingen · Das neue Projekt „Refugee Welcome Box“ will den Jugendlichen im Clearinghaus in Völklingen mit Überraschungspaketen eine Freude bereiten. Bei den Betroffenen kommt die Initiative bestens an. Mitmachen kann jeder.

 Kaffee und Süßigkeiten als Zeichen der Willkommenskultur. Foto: Dietze

Kaffee und Süßigkeiten als Zeichen der Willkommenskultur. Foto: Dietze

Foto: Dietze

Sarah Bremerstein war für mehr als 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie der Weihnachtsmann. Vor sechs Wochen überreichte die 35-Jährige jedem Jugendlichen im Clearinghaus Völklingen liebevoll gepackte Pakete, voll mit Kaffee, Tee, Süßigkeiten, Büchern. "Die Jugendlichen applaudierten. Mit so viel Begeisterung hätte ich nicht gerechnet", sagt Bremerstein.

Sarah Bremerstein und Manuel Hüther sind Initiatoren des neuen Projektes "Refugee Welcome Box". Die Übergabe im Clearinghaus war ihre Feuerprobe. Das Konzept: Jeder kann Geschenkpakete für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge packen, damit sie sich ein bisschen wohler im Saarland fühlen. "Die Möglichkeit, Willkommenskultur zu leben: mit einer kleinen, gut umsetzbaren Sache." Sie orientieren sich damit an der Initiative "Weihnachten im Schuhkarton", die jährlich Weihnachtsgeschenke für arme Kinder sammelt. Auch für die Flüchtlinge geben Privatpersonen und Schulklassen die Geschenkkartons an Sammelstellen ab. Von dort kommen sie zu den Neuankömmlingen im Völklinger Clearinghaus.

Momentan leben in der Aufnahmestelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge überwiegend Afghanen und Eritreer. In den zwei bis fünf Monaten, die sie dort verbringen, werden Fragen zu ihrer Familie, ihrem Alter, ihrer Gesundheit geklärt. Diese schwierige Zeit wollen Bremerstein und Hüther zumindest ein bisschen verbessern. Sie sehen sich als Initiatoren, nicht als Leiter des Projekts. "Ich will nicht der Weihnachtsmann sein. Ich gönne es jedem, einem geflüchteten Jungen ein Geschenk überreichen zu dürfen", so Bremerstein. Bisher ist die Geschenkeaktion nur für Jungs: Die wenigen Mädchen werden direkt in Wohngemeinschaften untergebracht. Seit Eröffnung des Clearinghauses 2001 sind nur 20 unbegleitete minderjährige Mädchen im Saarland gelandet - und 800 Jungs. Das Projekt soll sich verselbstständigen: Pakete kommen zu den Sammelstellen, von dort gehen die Geschenke direkt zu den Jugendlichen zum Clearinghaus und irgendwann an weitere Flüchtlingsunterkünfte.

Bremerstein arbeitet beim Diakonischen Werk als Sozialarbeiterin, der Kontakt zum Clearinghaus mit der Diakonie als Träger war deswegen schnell hergestellt. Einen größeren Rahmen wünschen sich Bremerstein und Hüther zwar, logistisch halten sie das aber noch nicht für möglich. "Wenn wir das auf erwachsene Flüchtlinge oder Familien ausweiten, könnte es unfair werden. Das wollen wir vermeiden."

Bisher gab es keine negativen Reaktionen. Die Hilfsbereitschaft im Saarland sei extrem hoch, so Bremerstein. Die Verdi-Jugend war schon da, eine Schulklasse hat 27 Pakete übergeben. Fast jedem Päckchen ist ein Brief beigelegt, oft sogar mit Kontaktdaten, damit der Empfänger sich melden kann. Eine Schulklasse will sogar vorbeikommen und die Jugendlichen kennenlernen. Das hält Bremerstein für wichtig, auch Kinder müssten Hemmschwellen abbauen. Auch wer wenig Zeit hat, kann mitmachen: "Zehn Euro für eine Box auszugeben, das sollte für jeden machbar sein. So hat jeder die Möglichkeit, etwas Kleines zu bewirken." Als Dolmetscher den Jugendlichen im Clearinghaus vor sechs Wochen erklärten, was die Bescherung sollte, ging ein Raunen durch den Raum. "Sie waren total fasziniert, dass wir das in unserer Freizeit organisiert haben - und dass fremde Menschen ihnen Geschenke machen."

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Da die Clearinghäuser für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Merzig und Völklingen voll besetzt sind, werden seit zwei Wochen Neuankömmlinge auch in einer Turnhalle in Köllerbach untergebracht (wir berichteten). Im September soll im Landkreis St. Wendel ein drittes Clearinghaus mit 25 Plätzen eröffnet werden, sagte Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD ) am Wochenende. "Üblicherweise gibt es im Sommer einen Rückgang der Flüchtlinge . Dieses Jahr nimmt zum ersten Mal der Zustrom in diesen Monaten zu", sagt Gillo. Auch in Lebach spitzt sich die Lage zu. "Die Plätze in den Zelten sind fast komplett belegt. Wir haben noch die Möglichkeit, die Zeltstadt zu erweitern, aber wir stoßen an unsere Grenzen", sagte Michael Burkert , Präsident des Landesverband Saarland des Roten Kreuzes (DRK), der am Samstag die DRK-Helfer bei ihren Einsätzen besuchte. In Lebach habe er sich über das großartige Engagement der Ehrenamtler gefreut, die rund um die Uhr die Flüchtlinge betreuen. Aber auch über den Rückhalt und die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung: "Auch Menschen, die keiner Hilfsorganisation angehören, machen mit, wie zum Beispiel Nachbarn, die unaufgefordert bei der Getränkeausgabe helfen." Auch in Köllerbach ziehen alle an einem Strang, wie DRK-Einsatzleiter Roland Post berichtet. "Einwanderer , die selbst länger in Püttlingen wohnen, haben sich spontan als Dolmetscher angeboten. Auch die Vereine bringen sich viel ein", stellt er fest.

Genauso wie in der Zeltstadt in Lebach handele es sich aber auch hier um Notunterbringung. "Auf Dauer können Ehrenamtler das nicht stemmen. Da ist politische Verantwortung gefragt", so Burkert.

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