IG Metall will faire Arbeitszeitregeln Wie brennt man, ohne dabei auszubrennen?

Völklingen · Die IG Metall Völklingen beschäftigte sich bei einer Angestellten-Konferenz kritisch mit dem Thema „Indirekte Steuerung in Unternehmen“.

 Eine zunehmende Zahl von Menschen leidet laut IG Metall unter ständiger Überforderung am Arbeitsplatz. Die Gewerkschaft warnt vor so genannter Selbstausbeutung.

Eine zunehmende Zahl von Menschen leidet laut IG Metall unter ständiger Überforderung am Arbeitsplatz. Die Gewerkschaft warnt vor so genannter Selbstausbeutung.

Foto: dpa/Oliver Berg

(red) „Wir leben für unser Unternehmen. Wir stellen unsere Arbeit in den Vordergrund. Wir wollen den Erfolg.“ Mit diesen Worten eröffnete Guido Lesch, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, das diesjährige Angestelltengespräch mit dem Titel: „Yes, we burn“. Rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Betrieben waren am Dienstagabend in das Kongresszentrum der SHG-Kliniken in Völklingen gekommen, und auch Geschäftsführer und Personalmanager waren dabei.

„Wir alle haben die Arbeitswelt in Form der direkten Steuerung erlebt und gelebt, was heißt, der Unternehmer hat die Vorgaben gemacht, und alle in der Betriebshierarchie sind den Unternehmenszielen gefolgt, so die Entwicklung in unserer Industriegesellschaft bis heute. Die neue Managementmethode der indirekten Steuerung führt dazu, dass der Unternehmer zur Seite tritt und Aufgaben an Teams bzw. Gruppen im Betrieb überträgt. Viele fühlen sich wohl in dieser neuen Rolle des Selbst-Entscheiden-Dürfens. Es entwickelt sich eine neue Freiheit wie Vertrauensarbeitszeit, Mitgestalten, Mitverantworten und vieles mehr“, hieß es weiter in Leschs Einführung.

Die IG Metall hatte mit einem Theaterstück des Kölner Ensembles Xtrameile und einem Referat des Philosophen Stephan Siemens an diesem Abend Impulse gesetzt, um sich der neuen unternehmerischen Strategie der indirekten Steuerung und deren Auswirkungen anzunähern. „Ihr seid Junkies einer neuen Sucht. Eine Sucht, die neue Arbeit sucht“, sangen Martina Frenzel, Diplom-Psychologin, und Signe Zurmühlen, Schauspielerin, um auf das wachsende Problem hinzuweisen.

„Die Menschen engagierten sich früher in Vereinen. Das ist heute kaum noch so. Heute nimmt die Arbeit den gesellschaftlichen Platz bei immer mehr Menschen ein“, so Stephan Siemens, „und somit bestimmt der Arbeitgeber, was gesellschaftlich sinnvoll ist. Aber wenn der Unternehmer den unternehmerischen Löffel abgibt, das heißt, er führt die indirekte Steuerung ein,  und wir sollen den Löffel nehmen, dann sollten wir ihn auch nehmen,  doch wir sollten lernen, damit zu essen“, betonte Siemens.  „Verantwortung zu übernehmen, ist okay, aber wir müssen uns selbst schützen, damit dies nicht zum persönlichen Ausbrennen führt.“

Genau um diese Frage ging es: Immer mehr Menschen werden, wie Mediziner berichten, krank durch Arbeit, immer mehr Menschen sind ausgebrannt. Burnout gilt als mögliche Folge dieser neuen Arbeitsorganisation. „Da stellt sich die Frage, wie wir der indirekten Steuerung so begegnen, dass Menschen mitmachen, aber nicht krank werden“, so Gewerkschaftssprecher Lesch.

Er mahnte eine neue Arbeitszeitpolitik an „Wir brauchen verbindliche Regelwerke, was Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Kultur, Freizeit und Gesundheit anbelangt.“  Die IG Metall fordert in der Tarifrunde 2018 in der Metall- und Elektroindustrie einen Tarifvertrag, der die Möglichkeit schafft, dass aus Anlässen wie zum Beispiel Kindererziehung, Pflege der Angehörigen, Gesundheit die Arbeitszeit befristet für zwei Jahre bis zu 28 Stunden reduziert werden kann.

Der Vorsitzende des Angestelltenausschusses der Geschäftsstelle Völklingen, Roman Riegler, sagte: „Die Kolleginnen und Kollegen müssen erkennen, was mit ihnen passiert. Wir müssen den Leuten transparent machen, dass wir ihnen helfen wollen. Regeln wie das Arbeitszeitgesetz oder betriebliche  Regelungen sind zum Schutze der Arbeitnehmer da und sind kein Hindernis oder Hemmnis.“ „Wir erleben es täglich, dass sich Gruppen selbst organisieren, so dass die Gruppe funktioniert, auch wenn der/die einzelne in der Gruppe fehlt“, so Roland Seinsoth, Betriebsrat der Dillinger Hüttenwerke.

Das zusammenfassende Ergebnis: „Das Thema der indirekten Steuerung wird uns alle in den Betrieben mehr denn je beschäftigen. Nur dann, wenn eine breite Gefährdungsanalyse in den Betrieben umgesetzt wird, können erfolgreich Gegenmaßnahmen durchgesetzt werden.“

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