Der Schwiegersohn-Typ Werbung auf Abwegen

Modisch! Modern! Von heute! Von wegen: Mancherorts gibt es nichts Neues unter der Sonne.

Der Schwiegersohn-Typ: Werbung auf Abwegen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Lange habe ich ihn angeschaut, diesen Werbeprospekt. Keine Ahnung, woher er kam – erst beim Altpapier-Zusammenräumen fiel er mir in die Hände. Und stellte mich vor ein Rätsel, das ich nicht entschlüsseln konnte.

Drauf zu sehen ist das Foto eines Pi mal Daumen mitteljungen männlichen Menschen, dessen Äußeres von hoher Friseur- und Barbierkunst zeugt. Säuberlich getrimmter Bart, sorgfältig verwuschelte Locken. Ebenso sorgfältig angezauselte Freizeitkleidung. Der Typ könnte ein Bänker sein, dem die korrekte Strenge seines Berufsalltags zur zweiten Natur geworden ist, der aber gern mal auf kreativ macht. Oder auf sportlich-naturburschig; doch  den stahlblauen Blick geradeaus hat er noch nicht drauf, er übt noch. Weder Softie noch harter Kerl, nett irgendwie, Tante Gerdas idealer Schwiegersohn. Zwischen den Welten, zwischen den Rollen. Gibt es, ist nicht  selten – das Rätsel steckte woanders. Nämlich im daneben gedruckten Spruch: „So geht Pullover heute.“

Das ist eine Ansage! Wie etwas heute geht, das will ich wissen. Aber hier wurde ich beim Gucken nicht schlauer. Okay, ein Pulli, simpel, schlicht, dunkelblau meliert. Schon vorgestern – sprich: vor Jahrzehnten – sah  ich sowas im väterlichen Kleiderschrank. Neu? Heute? Erschloss sich mir nicht. Bis mich irgendwann der Blitz der Erkenntnis traf: Manche Dinge sind seit einer gefühlten Ewigkeit so gut, dass man sie nicht mehr verbessern kann.  Da ist das Vorgestrige der allerletzte Schrei.

Warum teilen Werbeleute uns das nicht auf der Direttissima mit? Sie würden uns Gegrübel ersparen – und ihren Fotomodellen verunglückte „Ich-gucke-jetzt-mal-kernig“-Posen. Die stecken nun im Altpapier. Und den Namen der Pulli-Firma habe ich mir nicht gemerkt.

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