Wenn's nicht mal fürs Essen reicht

Völklingen. Jeden Dienstag und Freitag versammeln sich zahlreiche Menschen ab 15 Uhr im Hof des Diakonischen Zentrums in der Völklinger Gatterstraße

Völklingen. Jeden Dienstag und Freitag versammeln sich zahlreiche Menschen ab 15 Uhr im Hof des Diakonischen Zentrums in der Völklinger Gatterstraße. Gemeinsam ist ihnen nicht nur, dass sie leere Tüten und Taschen mitgebracht haben, sondern auch etwas, das man nicht sieht und das von Inge Meyer, Mitarbeiterin der Völklinger Tafel, erläutert wird: "Diese Menschen stehen vor Weihnachten nicht vor der Frage, welche tollen Geschenke sie diesmal kaufen sollen oder welcher Festtagsbraten auf den Tisch kommt, denn sie haben noch nicht einmal genügend Geld, um sich und ihre Kinder ausreichend zu ernähren. Deshalb sind sie hier, und deshalb sind wir hier."Wir - das sind rund 30 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Völklinger Tafel, die seit drei Jahren Lebensmittel an arme Menschen der Stadt verteilt. Ihre Arbeit beginnt schon am frühen Morgen, denn die gespendeten Waren müssen in Geschäften abgeholt, sortiert, gesäubert und auf Regalen im Hof und einem angrenzenden Gebäude gestapelt werden. "Wir haben zwar fast alle selbst Familien, aber natürlich arbeiten wir auch zwischen den Feiertagen", sagt Giusi Grillo, Teamleiterin der Tafel. Und wenn, wie in diesem Jahr, Ausgabetage auf Feiertage fallen, werden die registrierten Bedürftigen an Terminen kurz davor oder danach versorgt. Jeder erhält einen Anteil an unverkauften Waren oder Lebensmitteln, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft. "Leider kalkulieren die Geschäfte immer knapper, so dass wir manchmal von gespendetem Geld noch Waren hinzukaufen müssen, diesmal vor Weihnachten beispielsweise Reis", berichtet Grillo. Insgesamt haben sich zur Zeit rund 900 Personen als hilfsbedürftig gemeldet, dabei über 200 Völklinger Kinder. "Aber es gibt in dieser Stadt noch viel mehr Armut", sagt Helfer Horst Kappel, der von Anfang an bei der Tafel arbeitet, "nur leider kommen viele Einheimische aus unberechtigter Scham nicht zu uns. Dabei weiß doch jeder, wie schnell - nämlich in Jahresfrist - man heutzutage in Hartz IV landet und mit 359 Euro monatlich Essen, Kleidung, Strom, Wasser und Busfahrten bezahlen und dazu noch Geld ansparen soll, falls Kühlschrank oder Herd kaputt gehen." Während Kappel heute die Nummern aufruft und Bananen ausgibt, ist seine Kollegin Ulrike Kiehn am "Gemüsestand" tätig. "Alle reden an Weihnachten von Nächstenliebe und sozialem Verhalten, aber nur wenige tun etwas dafür", sagt sie. Die Arbeit bei der Tafel sei zwar oft ein Knochenjob, aber abends sei sie dennoch immer sehr zufrieden. Am Nachbartisch verteilt Inge Meyer Brot. Sie unterstützt auch Obdachlose, ist Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Wehrden und sammelt Spielzeug für arme Kinder. "Man kann doch vor der Not vieler Menschen nicht die Augen verschließen", sagt sie, "ich werde versuchen zu helfen, solange ich kann." Brigitte Balasus aus Geislautern ist seit einem dreiviertel Jahr dabei. "Gerade an Weihnachten ist unsere Arbeit besonders notwendig", betont sie. Zwar muss sie sich zu Hause auch um kranke Angehörige kümmern. Aber der Gedanke an bedürftige Menschen und besonders an mangelhaft ernährte Kinder gibt ihr Kraft genug für diese ehrenamtliche Arbeit: "Die Zeit für die Tafel nehme ich mir, das muss einfach sein." Ein älterer Mann, der mit seiner Tüte bis jetzt abseits gestanden hat, kommt jetzt scheu näher. "Kennen Sie das Gedicht, es passt zu Weihnachten, schreiben Sie es bitte auf", sagt er leise, und dann zitierte er: "Und die einen stehn im Dunkeln, und die andern stehn im Licht, doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht."

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