Wenn Religionen aufeinandertreffen

Völklingen · Muslimische, jüdische und christliche Jugendliche lernten sich und ihre Religionen im Völklinger Weltkulturerbe kennen und tauschten sich aus.

 Augen schließen und den Kopf frei kriegen. In einer 15-minütigen Meditation lernten Jugendliche, wie buddhistische Mönche Körper und Geist entspannen. Foto: Oliver Dietze

Augen schließen und den Kopf frei kriegen. In einer 15-minütigen Meditation lernten Jugendliche, wie buddhistische Mönche Körper und Geist entspannen. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Eine Frauenhand nähert sich der orangenen Kutte. Ein Begrüßungsritual - aber nicht in allen Religionen. Der buddhistische Mönch weicht zurück. Er fasst keine Frauen an. Auch nicht die Hand. Andere Religionen, andere Sitten. Wir kennen sie oft nicht. Das macht uns unsicher, manchmal misstrauisch. Um die Hemmungen abzubauen, trafen sich am Dienstag 15 Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren im Weltkulturerbe Völklinger Hütte.

Unter ihnen Muslime, Juden und Christen aus Saarbrücken. Zusammen diskutierten sie darüber, wie wichtig es ist, mit Menschen anderer Religionen in Kontakt zu treten. "Für mich haben andere Religionen etwas Unheimliches, weil sie einfach fremd sind", sagt Ines. Dabei sei der Blick über den Tellerrand wichtig. "Indem man andere Religionen kennenlernt, lernt man auch sich und seine eigene besser kennen", sagt Latifa. Und Missverständnisse könnten vermieden werden. Sophie ist Deutsch-Türkin. Sie hat eine große Familie, erzählt sie. Wenn alle zusammenkommen, merke sie, wie weltoffen sie sei. Ihr Cousin hingegen habe viele Vorurteile gegenüber anderen Religionen. Umso wichtiger, sich darüber auszutauschen. In der Schule zum Beispiel kommen die Jugendlichen in Kontakt. Aber auch in Tanzgruppen. Heiner Buchen vom Dekanat Saarbrücken organisiert sie. Die 20-jährige Melky hat lange in solch einer gemischten Gruppe getanzt. Sie ist Christin. Aufgewachsen in der Dominikanischen Republik. Der Vater evangelisch, die Mutter katholisch. In ihrem karibischen Heimatland habe es nur Christen gegeben oder eben Unkonfessionelle. 2012 kam sie dann nach Deutschland. Erst hier habe sie Kontakt zu Andersgläubigen bekommen. "Was andere denken und glauben, war für mich wow!", erzählt sie. Seitdem weiß sie, sie will nicht nur zu einer Religion gehören. "Ich denke mittlerweile, dass wir alle nur einen Gott haben", sagt Melky.

So offen gegenüber anderen Religionen wie die Gruppe seien nicht alle im Dekanat Saarbrücken, sagt Dechant Benedikt Welter. Nur ein ganz geringer Teil interessiere sich dafür, andere Religionen kennenzulernen. "Man guckt zuerst auf den eigenen Laden und versucht die Religion zu erhalten", sagt Welter. Da kümmerten sich viele eher darum, dass die Enkel noch getauft werden. Wer keinen Begegnungsort und damit keine Schnittstelle mit anderen Religionen habe, für den seien sie oft nicht relevant.

Die Jugendlichen im Weltkulturerbe haben am Dienstag Hemmungen abgebaut. "Wir kannten uns am Anfang nicht und sind uns jetzt aber durch die Diskussion näher gekommen", stellt Susanna fest. Und sie wollen weiter machen. Sich jetzt regelmäßig treffen. Gemeinsam die Synagoge in Saarbrücken besuchen. Alle Altersgruppen zusammenführen. 15 engagierte junge Leute. Sie haben Ziele. Am Dienstagabend stellten sie die Ergebnisse ihres Zusammentreffens im Weltkulturerbe vor - in einer anschließenden Diskussionsrunde mit Dechant Benedikt Welter, Richard Bermann von der Synagogengemeinde Saar und Riad Katta aus der Islamischen Gemeinde Saar. Der erste Schritt ist getan. Und auch der Buddhismus ist zumindest den Jugendlichen nicht mehr ganz fremd. Der Mönch in der orangenen Kutte. Er hat ihnen gezeigt, wie Buddhisten meditieren. Die Frauenhand berührt er trotzdem nicht. Er hält an den Regeln fest, die ihm seine Religion auferlegt. Die Frauenhand - ruckartig schnellt sie zurück. Ablehnung. Dabei ist der Handschlag ein erster Schritt, den anderen und seine Religion kennenzulernen.

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