„Weil wir zusammen sind“

Völklingen · Nicht nur Gebäude prägen das Gesicht einer Stadt. Sondern mehr noch die Menschen, die in ihr leben und arbeiten. Zu ihnen gehören auch Michaela und Gerald Zieder, die gemeinsam unter anderem die „Woche der Vorsorge“, die gestern im SHG-Kongresszentrum in Völklingen startete, organisieren.

 Trotz intensivem Engagement für und mit ihrem Mann Gerald findet Michaela Zeit für ihr Hobby, dem Kunsthandwerk. Sie stellt Schmuck, Stofftiere und anderes her. Foto: Ruppenthal

Trotz intensivem Engagement für und mit ihrem Mann Gerald findet Michaela Zeit für ihr Hobby, dem Kunsthandwerk. Sie stellt Schmuck, Stofftiere und anderes her. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

So also kann man auch versuchen, in eine glückliche Ehe zu starten: "Es war ganz einfach", berichtet Gerald Zieder, "ich habe der Michaela immer und immer wieder acht Jahre lang Komplimente gemacht, bis sie mir vor sieben Monaten endlich ihr Jawort gegeben hat." Michaela geht zu ihrem Mann, der im Rollstuhl sitzt, und legt ihm den Arm um die Schultern. "Na ja", sagt sie lachend, "er kann wirklich sehr beharrlich sein."

So wie die beiden - 57 und 47 Jahre alt - sich da im Wohnzimmer ihres Appartements in der Völklinger Pasteurstraße anlächeln, wirken sie tatsächlich wie frisch verliebt - trotz oder gerade wegen der schweren Behinderung von Gerald Zieder. Die erlitt er vor 28 Jahren bei einem Autounfall. Außer der Querschnittslähmung gelingt ihm seitdem auch die Feinkoordination der Hände nicht mehr. "Ich habe mich zurückgekämpft ins Leben", sagt er, "und trotz gelegentlicher gesundheitlicher Rückschläge kann ich heute beruflich tätig sein." Denn auch durch das eigene Schicksal wurde er zum Experten, wenn es um behördliche oder pflegerische Hilfen für Behinderte und Senioren geht. Er arbeitet halbtags in der Beratungsstelle für Behinderte bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und ist - immer beharrlich - ehrenamtlich in rund einem dutzend sozialer Einrichtungen und Initiativen tätig.

Dabei begleitet ihn meistens auch seine Frau, sei es für Handreichungen, sei es für Assistenz bei Beratungen. "Sie ist Mädchen für alles", sagt Gerald Zieder, "sie ersetzt meine Hände und ergänzt mein Gedächtnis, und immerhin ist sie seit 17 Jahren im ambulanten Pflegedienst tätig." "Und er lässt nicht locker, wenn er helfen kann" sagt sie.

Da kam beispielsweise bei der Seniorenmesse, die er jährlich organisiert, ein älterer Mann, selbst schwerbehindert, zu ihm und beklagte sich über mangelnde Unterstützung seiner dementen Frau bei Krankenkasse und Behörde. Gerald Zieder hörte zu, stellte Gegenfragen, Michaela machte Notizen, und dann führte Zieder das Gespräch weiter, indem er nun aber den Mann spontan duzte. Eine verbale Solidarität, eine Handreichung mit einem kleinen Wort. "Er ist ein Kämpfer, mit Kopf und Herz, das hat mir von Anfang an gefallen", sagt Michaela.

Als sie vor neun Jahren vom Pflegedienst der Awo zu ihm eingeteilt wurde - Gerald hat Pflegestufe 3 - , wusste sie gleich, dass er in all seinen Aktivitäten nicht gebremst, sondern unterstützt werden müsste. "Seit die Liebe dazu kam, sind wir ein Team, und Michaela findet trotzdem noch Zeit für ihr schönes Hobby", stellt Gerald fest. Ihr Hobby, das ist Kunsthandwerk. Sie stellt Collier-Unikate her, Stofftiere, Kunstkarten, auch auf Bestellung für besondere Anlässe, ist mit Ausstellungen alle sechs Wochen in der Püttlinger Klinik unterwegs und seit Oktober letzten Jahres auch bei Karstadt .

"Sie ist Hausfrau, Pflegerin, Künstlerin und meine Assistentin, und sie behält dabei immer ihre Ruhe und ihren Humor - ich weiß nicht, wie sie das schafft", sagt Gerald Zieder. Michaela umarmt ihn. "Genau so, wie Du alles schaffst", sagt sie leise, "weil wir zusammen sind."

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