Kolumne Weich und lecker

Die Hitze dieser Sommertage weckt Träume: Wie schön wäre es doch, jetzt Riesin zu sein!

Kolumne: Weich und lecker
Foto: SZ/Robby Lorenz

Sitzen zwei Riesen im Gebirge. Gucken, über einen Gipfel hinweg,  nach unten, wo sich eine stark befahrene Straße zwischen steilen Bergwänden hindurchwindet; ihre Mienen spiegeln eine Mischung aus Verzückung und Gier. Sagt der eine zum anderen: „Die Schale ist hart, aber innen sind sie weich und lecker.“

40 Jahre ist es her, dass Friedrich Karl Waechter diesen Cartoon gezeichnet hat. Den kleinen Autos auf der Gebirgsstraße sieht man’s an, doch sonst ist das sanfte Gift der Zeichnung aktuell wie eh und je. Und derzeit kommt mir der Cartoon tagtäglich in den Sinn.

Warum? Rückblende: der erste Urlaub in den USA. Am Flughafen den Mietwagen in Empfang nehmen. Automatikgetriebe, bequem. Tempomat, damit der europäische Gasfuß sich an Amerika-Gemächlichkeit  gewöhnt (höchstens 88 Stundenkilometer, und die Highway Patrol versteht bei „Speeding“ keinen Spaß). In breite, weiche Sesselsitze sinken. Und – in Kalifornien, Colorado, Nevada brennt die Sonne auch im April – die Klimaanlage einschalten. So lässt sich herrlich komfortabel reisen, wochenlang, über Tausende von Kilometern.

Wieder daheim, war’s mit dem Komfort vorbei. Und das unkomfortable eigene Auto lief und lief und lief; erst als es längst volljährig war, schied uns der TÜV. Bei der Nachfolger-Wahl dachte ich an Amerika: Automatik! Tempomat! Klimaanlage!  Stressfrei und unverschwitzt kam ich durch die heißen Sommer 2003 und 2006.

Mittlerweile ist auch dieses Gefährt angejahrt. Doch es läuft und läuft und läuft. Ausnahme: Die Klimaanlage hat sich verabschiedet, irreparabel, endgültig. Und wir stecken im Glutsommer 2018 . . .

Jetzt möchte ich gerne Riesin sein. Um, den Kopf auf kühler Gipfelhöhe,  zu angeln auf der Straße unten. Ich würde gezielt nach den Dingern ohne Klimaanlage greifen, erkennbar an Haarschöpfen, die wild im Offene-Fenster-Fahrtwind flattern. Denn da gibt’s das Innere der harten Schale nicht etwa kalt und roh, sondern schön warm und fixfertig zubereitet, variantenreich, je nach Luftfeuchtigkeit und Sonnenstand: gegrillt, gebacken, dampfgegart.

Weich und lecker.

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