Völklingen will nicht „gallisches Dorf“ sein

Völklingen · Bei der Chemieplattform Carling/ St. Avold laufe alles nach Recht und Gesetz, sagte Umweltminster Jost im Völklinger Ratsausschuss. Ein Ratsmitglied zweifelte – es gab einen kurzen, heftigen Wortwechsel.

 Blick auf die Chemie-Plattform im lothringischen Carling/ St. Avold. Die Produktionsstätten dort werden derzeit gründlich umgebaut: Die Firma Total legt etliche alte Anlagen still und errichtet neue. Im Moment wird eine Anlage zur Herstellung von C4-Harzen gebaut; bereits im Sommer soll sie in Betrieb gehen. Archivfoto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Blick auf die Chemie-Plattform im lothringischen Carling/ St. Avold. Die Produktionsstätten dort werden derzeit gründlich umgebaut: Die Firma Total legt etliche alte Anlagen still und errichtet neue. Im Moment wird eine Anlage zur Herstellung von C4-Harzen gebaut; bereits im Sommer soll sie in Betrieb gehen. Archivfoto: Michel Labelle/Total Petrochemicals

Hoher Besuch im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt des Völklinger Stadtrats, am Mittwoch hat sich der saarländische Umweltminister Reinhold Jost angesagt. Er will den Rat informieren über das, was sich aktuell tut auf der lothringischen Chemieplattform Carling/ St. Avold. Die Ratsmitglieder versprechen sich davon eine Entscheidungshilfe: Soll die Stadt Völklingen , wie es im vorigen Herbst mal diskutiert wurde, bei der Europäischen Union (EU) Beschwerde erheben gegen das Verfahren, mit dem die französischen Behörden der Firma Total den Bau neuer Anlagen genehmigten?

Als 2015 die "Enquète publique" lief, die öffentliche Anhörung, hagelte es Proteste: Deutsche Anwohner sahen ihre Belange zu wenig berücksichtigt. Und es gab - nach einem öffentlichen Vortrag über europäisches Umweltrecht - Zweifel, ob das französische Genehmigungsverfahren den Rechts- und Umwelt- Standards der EU genüge.

Aber ehe man darauf zu sprechen kommt, gibt es dickes Lob von einem Schwarzen für einen Roten. Bürgermeister Wolfgang Bintz (CDU ) dankt Jost (SPD ) dafür, dass er für besseren Informationsfluss und mehr Transparenz gesorgt habe. Josts Initiative sei es zum Beispiel zu danken, dass bei den Sitzungen des französischen Kontrollgremiums CSS nunmehr simultan übersetzt werde - eine große Hilfe für die deutschen Teilnehmer.

"Wir sind nicht Genehmigungsbehörde", betont Jost, man sei nur Interessenvertretung der Saarländer. Und lässt Revue passieren, was sein Ministerium bisher getan und überprüft hat. Eine Geruchssensoren- und eine Flechtenstudie im Warndt. Ein Blick ins Krebsregister. Messwert-Checks. Nirgends Auffälligkeiten, keine konkreten Hinweise auf Umwelt-Verstöße der Chemieplattform. Die neue lothringische Anlage für C4-Harze "wäre auch in Deutschland genehmigt worden". Und für die Polypropylen-Anlage, die Total jetzt beantragt hat, genüge in Deutschland eine Baugenehmigung. In Lothringen stelle sich Total aber einem Umwelt-Verfahren, auf Initiative des Präfekten - die französischen Behörden seien korrekt.

Das will ein anderer Schwarzer so nicht stehen lassen. "Die machen da drüben, was sie wollen!", sagt Berthold Wirbel (CDU ). Und lässt eine zornige Philippika folgen, in der er dem Minister vorwirft, zu beschönigen, sogar zu vertuschen. Jost pariert mit gleicher Schärfe, nennt Wirbels Vorwürfe "ehrabschneidend" und "niveaulos" - 1:1, Schlagabtausch beendet.

Irgendwann, irgendwie kommt die chaotische Debatte zurück zum eigentlichen Thema: EU-Beschwerde, ja oder nein? Bintz berichtet, dass die mitbetroffenen Nachbargemeinden Großrosseln, Überherrn und Wadgassen sich nicht beteiligen wollen an einem Verfahren. Auch finanziell stehe Völklingen dabei allein. "Wenn wir meinen, als kleines gallisches Dorf agieren zu können, erreichen wir gar nichts", resümiert er, auf die Helden der "Asterix "-Comics anspielend. Der Ausschuss sieht es ebenso, votiert gegen eine EU-Beschwerde. Mit Enthaltungen aus der CDU-Fraktion. Und mit einer Gegenstimme: Berthold Wirbel hebt die Hand für juristischen Protest bei der EU.

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HintergrundDie Behörden in Frankreich haben der Firma Total nur mit Auflagen genehmigt, ihre neue Anlage für die Produktion von C4-Harzen zu bauen: Das berichtete André Johann, zuständiger Referatsleiter im Umweltministerium, auf SZ-Nachfrage. Unter anderem muss Total einen Grenzwert einhalten bei der Menge von Lithium-Ionen im Abwasser, das von der Anlage zur Reinigung fließt, auf Dauer. Außerdem muss die Firma ein Jahr lang messen, wie viel Lithium nach der Abwasserreinigung noch in der Merle landet. dd

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