Völklinger Ortsräte geben Planer kontra Heftige Kritik an der „Tempo-30-Inflation“

Völklingen · Flächendeckend Tempo 30? Der Verkehrsentwicklungsplan bleibt heftig umstritten. Planer Frank Schleicher-Jester bläst aus den Ortsräten ein kräftiger Gegenwind ins Gesicht.

 Sechs Mal Totalschaden und vier Verletzte gab es im März 2017 bei einem Raser-Unfall auf der Hauptstraße in Lauterbach. Ein neues, aber auch kritisiertes Konzept sieht viele neue „Tempo-30-Zonen“ vor.

Sechs Mal Totalschaden und vier Verletzte gab es im März 2017 bei einem Raser-Unfall auf der Hauptstraße in Lauterbach. Ein neues, aber auch kritisiertes Konzept sieht viele neue „Tempo-30-Zonen“ vor.

Foto: BeckerBredel/bub/fb

Entscheiden wollen die Ortsräte in der Stadt Völklingen erst im Rahmen ihrer Oktobersitzungen, wenn es um den Verkehrsentwicklungsplan (VEP) geht. Den stellte Frank Schleicher-Jester, Büroleiter der Darmstädter Agentur „R+T Verkehrsplanung“, die im Auftrag der Stadt den VEP erstellt hat, den Ortsräten Völklingen, Ludweiler und Lauterbach am Montagabend in gemeinsamer Sitzung im Großen Saal des Neuen Rathauses vor. Doch aus dem Diskussionsverlauf lässt sich erahnen, dass da aus den Räten noch allerhand Gegenrede zu erwarten ist.

Schleicher-Jesters Vorstelllungen in aller Kürze: Das Planungsbüro möchte die ganze Innenstadt wie auch sämtliche Stadtteile nahezu flächendeckend mit Tempo-30-Zonen und Tempo-30-Strecken ausstatten. Bei wenigen wesentlichen Durchgangsstraßen soll es in der Regel bei Tempo 50 bleiben. Tempo 30 soll es zudem in den Ortsdurchfahrten von Geislautern, Ludweiler und Lauterbach geben – wenn auch anfangs nur über Nacht.

Für Geislautern empfiehlt der Planer entweder eine Umgehungsstraße, die über die ehemalige Trasse der Rosseltalbahn führen, aber auch komplett außerorts verlaufen könnte. Und die Bisttal-Bahnroute könnte seiner Meinung nach Lösung für den seit Jahrzehnten lästigen Lkw-Verkehr über Wehrden werden – oder ein Vollanschluss der Autobahnauffahrt am Haller. Einer Streckenführung über die Bahntrassen steht entgegen, dass das Büro empfiehlt, die Bahnstrecken, so auch die Köllertalstrecke, zu reaktivieren. Dann müssten jedoch alle mit dem Völklinger Bahnhof verbunden sein.

Das Radfahren will der Planer über die Einrichtung von Radschutzstreifen attraktiver machen. „Dann kann an diesen Stellen allerdings nicht mehr geparkt werden“, so Schleicher-Jester.

Mit den folgenden Nachfragen begann, nach anfangs aufgeschlossener Haltung der Kommunalpolitiker, die Stimmung zu kippen. Mehrfach kam die Frage, warum der Gutachter so auf Tempo 30 beharre. Das mache den Autoverkehr für alle Nicht-Autofahrer verträglicher, wiederholte er immer wieder. Dass er den motorisierten Individualverkehr einschränken möchte, hatte sich schon bei vorangehenden Bürgerversammlungen gezeigt. Da hatte er unter anderem gesagt: „Völklingen gehört ja noch zu den Kommunen, in denen überwiegend Tempo 50 gefahren werden darf.“

In der gemeinsamem Ortsratssitzung kritisierte er jetzt auch „die hier verbreitete Unart des ,auf dem Bordstein-Parkens‘ “. Das bringe mit sich, dass es im Ortsbild kaum Vorgärten zu sehen gebe – nur Parkplätze. Parkplätze, auf die die Bewohner allerdings angewiesen sind, wie unter anderem Dieter Pick (CDU) meinte: „Ich sehe mich als Vertreter der Bürger, nicht als ihr Erzieher.“ Völklingens stellvertretender Ortsvorsteher Uwe Steffen (CDU): „Unser Land ist vom Auto geprägt. Radfahren finde ich zwar eine Supersache, aber das wird so nicht funktionieren.“

Auch den Verkehr einfach so auf den öffentlichen Personennahverkehr zu verlagern, sei nicht einfach. „Das funktioniert nur bei ganz engen Takten und günstigeren Preisen. Daran wird es im Saarland immer wieder scheitern“, so ein Bürger in der Sitzung.

Auch zur „Tempo-30-Inflation“ gab es Kritik. Der Lauterbacher Sozialdemokrat Erik Roskothen: „Unser Problem sind eher die, die deutlich schneller als 50 fahren.“ Eine optische Verengung der Straße bringe den größeren Effekt. Tempo 30 führe seiner Ansicht nach dazu, dass es dann wesentlich mehr unerlaubte und gefährliche Überholmanöver gebe. Ein weiterer Bürger: „Wenn man auf den Hauptstraßen nur noch 30 fahren darf, suchen sich die Autofahrer schnellere Wege. Ich fürchte, dass diese dann über die Wohngebiete führen.“ Zweifel gab es auch daran, ob geplante Maßnahmen für Fußgänger fruchten, so etwa im Bereich Karolinger Brücke: „Das wird nicht funktionieren“, sagte Wolfgang Lorenz (Grüne).

Vorerst gestoppt ist das Vorhaben, die Rathausstraße für den Autoverkehr zu sperren. Das hat eine von der Kaufmannschaft initiierte Unterschriftensammlung bewirkt. Ob der im VEP vorgesehene Umbau der Brücke am Amtsgerichtskreisel finanzierbar ist, steht in den Sternen, ebenso, was angesichts von so viel Kritik am Schluss noch von dem ganzen Plan übrig bleibt. Der Völklinger Stadtrat soll im November endgültig entscheiden.

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