Völklingen ist bunt

Völklingen · In Völklingen leben Menschen aus 90 Nationen. 13,8 Prozent der Bürger besitzen einen ausländischen Pass. Die Zahl der Völklinger mit Zuwanderungs-Hintergrund ist noch viel höher – ohne sie wäre die Stadt leer.

 Aus der Türkei stammt die größte Gruppe der zugewanderten Völklinger. Die ersten Türken kamen im September 1964, als Verstärkung für die Saarstahl-Belegschaft (Bild rechts). Unter ihren Nachfahren sind heute auch etliche Unternehmer – zum Beispiel Sultan Karahan (Bild links), die in der Innenstadt ein Modegeschäft führt. Fotos: Ruppenthal/ Saarstahl AG

Aus der Türkei stammt die größte Gruppe der zugewanderten Völklinger. Die ersten Türken kamen im September 1964, als Verstärkung für die Saarstahl-Belegschaft (Bild rechts). Unter ihren Nachfahren sind heute auch etliche Unternehmer – zum Beispiel Sultan Karahan (Bild links), die in der Innenstadt ein Modegeschäft führt. Fotos: Ruppenthal/ Saarstahl AG

Architektonisch gesehen, mag Völklingen grau wirken. Doch was die Bevölkerung angeht, ist die Stadt bunt: Menschen aus vielen Nationen leben und arbeiten hier. Im Straßenbild fallen türkische, italienische oder chinesische Restaurants auf, es gibt türkische, italienische oder osteuropäische Geschäfte und Firmen.

Aber wie bunt ist die Stadt tatsächlich? Wie viele Einwohner sind aus anderen Ländern zugewandert oder haben, wie Politiker es gerne formulieren, einen Migrationshintergrund?

Das, so zeigt sich, ist gar nicht so einfach zu sagen. Leicht feststellen lässt sich nur, wie viele Menschen mit ausländischem Pass in der Stadt leben: 5468 der insgesamt 39 546 Völklinger haben eine andere Nationalität als die deutsche, das sind 13,8 Prozent der Gesamtbevölkerung - so lautet die Antwort von Stadtpressesprecher Uwe Grieger auf eine SZ-Anfrage.

Die ausländischen Völklinger gehören etwa 90 verschiedenen Nationalitäten an. Größte Gruppe sind die Türken, sie sind mit 2106 Menschen in der Stadt vertreten. Zweitstärkste Nationalität sind die Italiener, 1253 Völklinger kommen vom Stiefel. Außerdem leben 282 Rumänen, 242 Franzosen, 237 Bulgaren und 219 Polen in der Hüttenstadt. 68 Zuwanderer kommen aus Serbien und Montenegro, 62 aus Afghanistan. 50 Völklinger haben einen algerischen Pass, 49 einen bosnisch-herzegowinischen. Ebenfalls 49 Menschen sind aus Eritrea hierher gekommen, 37 aus dem Kosovo, 34 aus Indien.

Einen Zuwanderungs-Hintergrund haben freilich weitaus mehr Menschen. Manche kamen als Ausländer und sind heute Deutsche, sie haben sich einbürgern lassen. 279 Völklinger waren das allein von 2012 bis 2014. In den Jahren davor haben ähnlich viele zugewanderte Völklinger die deutsche Staatsangehörigkeit erworben (von 2005 bis 2007 zum Beispiel waren es 295, die meisten davon aus der Türkei). Im Lauf der vergangenen Jahrzehnte - Arbeitsmigration gibt es ja schon seit den 1950er, 1960er Jahren - dürften allermindestens 2500 bis 3000 Völklinger einen ausländischen Pass gegen einen deutschen eingetauscht haben.

Heißt: Ein gutes Fünftel der Stadt-Bevölkerung hat Zuwanderungs-Hintergrund. Und auch das ist immer noch viel zu niedrig geschätzt. Denn dabei sind die hier geborenen Kinder und Enkel der Zuwanderer noch nicht mitgezählt. So manche aus Sizilien, Apulien oder Anatolien stammende Familie lebt ja schon in der dritten Generation in der Hüttenstadt, und ihre hier geborenen Nachkommen haben automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft.

Wie viele Völklinger Migranten sind Unternehmer geworden, wie viele besitzen Immobilien? "Solche Daten werden von der Stadt Völklingen nicht explizit erfasst", sagt Pressesprecher Uwe Grieger und verweist auf Bundes- oder Landes-Statistiken. Danach haben "immer mehr" Migranten in den letzten Jahren Wohneigentum erworben. Und die, die selbstständig sind, führen meist Einzelhandels-Unternehmen, Reisebüros etwa, Lebensmittelläden oder Gastronomiebetriebe.

Völklingens Bevölkerung ist bunt. Wie bunt, lässt sich aber nicht genau feststellen, die Ursprungs-Farben haben sich gemischt - die einstmals "Fremden" sind längst Einheimische. Die Saarstahl AG ist Völklingens größtes Unternehmen, rund 4000 Menschen arbeiten hier. Wie viele davon haben einen Zuwanderungs-Hintergrund? Pressesprecherin Ulrike Jungmann hat hausintern vergeblich nach Zahlen dazu gesucht. In den Firmen-Unterlagen, sagt sie, seien nur zwei Angaben vermerkt, aus denen man auf Migration schließen könne: Staatsangehörigkeit und Geburtsort. Zuwanderer der zweiten Generation seien über die Mitarbeiter-Daten nicht zu finden, Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit ebenso wenig - das gehe den Arbeitgeber ja auch nichts an. Ihr Fazit: Zahlen zu errechnen auf Grundlage der wenigen Angaben, über die das Unternehmen verfügt, ergebe ein völlig schiefes Bild. Also lieber keine Zahlen als falsche.

Zum Thema:

Auf einen BlickNicht nur Zuwanderer leben in Völklingen , sondern auch Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten. Im Januar waren das 112 Menschen, vorwiegend Syrer und einige Eritreer. Die Stadt hat sie in Wohnungen der Gemeinnützigen Städtischen Wohnungsgesellschaft (GSW) und in Privatwohnungen untergebracht. 26 minderjährige Flüchtlinge leben im Clearinghaus des Diakonischen Werks auf dem Heidstock, weitere neun junge Leute in den Ludweiler Angela-Braun-Häusern.Die Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen will die Stadt mit zahlreichen Aktivitäten fördern, insbesondere mit Deutschkursen - zum Beispiel mit dem "Kikus"-Sprachprojekt oder mit speziellen Sprachkursen für Frauen. Migranten-Organisationen halten ebenfalls eine Fülle von Sprach- und Bildungsangeboten bereit. dd

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