SZ vor Ort: „Brunnen-Geschichte“ eines Hüttenführers Am Brunnen vor dem Tore der Bouser Höh‘

Völklingen · Alles ausgedörrt, kaum Wasser in Bächen: Hüttenführer Detlef Thieser erinnert sich an schlimme Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Auf dem Völklinger Wochenmarkt erinnert sich der 86-jährige Hüttenführer Detlef Thieser (Mitte, dunkle Brille) an Zeiten, als es auf der „Bouser Höhe“ kein Wasser gab.

Auf dem Völklinger Wochenmarkt erinnert sich der 86-jährige Hüttenführer Detlef Thieser (Mitte, dunkle Brille) an Zeiten, als es auf der „Bouser Höhe“ kein Wasser gab.

Foto: BeckerBredel

Der Sommer ist heiß und trocken, die Wasserstände in Bächen sind so niedrig wie lange nicht mehr. Aber aus den Leitungen fließt es noch. Dass selbst das nicht selbstverständlich ist, daran erinnerte an unserem „SZ vor Ort“-Stand auf dem Völklinger Wochenmarkt der heute 86-jährige Detlef Thieser. Allerdings war der Grund, dass es nach dem Krieg auf der „Bouser Höhe“, der Röchling Höhe, kein fließendes Wasser gab, nicht das Wetter.

1946 – Nachkriegszeit. Die damalige Bouser Höhe war zu dieser Zeit kaum bewohnt. Als die Anwohner aus der Evakuierung nach Hause kommen, gibt es kein fließendes Wasser. „Durch den Krieg waren alle Zuleitungen zu uns zerstört“, erzählt Thieser. „Die Menschen vor Ort waren aber auf Trinkwasser angewiesen.“ Daraus sei jeden Abend eine regelrechte Prozession zu einem nahe gelegenen Brunnen entstanden, der ohne Namen war und nur „Brünnchen“ genannt wurde. Männer, Frauen, Kinder – „Jeder, der groß genug zum Tragen war, hat sich am Wasser holen beteiligt. Mit Krügen, Vasen, Teekannen und allem, was die Leute so finden konnten, ging es runter zum ‚Brünnche’ Wasser holen“, teils waren auch Bollerwagen im Einsatz, erklärt er weiter. Selbst „Böttcher“, die Bottiche, in denen Kinder früher gebadet wurden, habe man umfunktioniert. „Das hat gut funktioniert, bis es irgendwann wieder fließend Wasser gab.“

Detlef Thieser heuerte später bei der Völklinger Hütte an, wurde Schlossermeister. Der 86-Jährige erinnert sich an die Blütezeit der Hütte und erzählt, wie verbunden er noch immer mit dem heutigen Weltkulturerbe ist. Er arbeitete vom 1. August 1950 bis 30. Juni 1989 „uff der Hütt“, und er war einer der Arbeiter, die nach dem Abschalten der Hochöfen noch weiter auf dem Gelände im Einsatz waren: ab 1995 als Hüttenführer im Weltkulturerbe. Er ist auch 2.  Vorsitzender der „Initiative Völklinger Hütte“, die sich für das Weltkulturerbe und Führungen engagiert, einst mit etwa 500, inzwischen mit 85 Mitgliedern. Noch heute bringt der 86-Jährige in zweistündigen Führungen Besuchern das Weltkulturerbe näher, durchquert mehrmals die Woche die Anlage und berichtet aus vergangenen Zeiten – auch wenn er inzwischen gerne mal den Aufzug statt der vielen Treppen nach oben nimmt. „Die Teilnehmer wollen immer wissen, ob es damals laut war“, berichtet Thieser. „Das kann ich dann nur bejahen. Aber man ist damit aufgewachsen, man kannte das nicht anders.“

Und das „Brünnchen“? Es liegt immer noch zwischen der Schmelzer Straße und dem ehemaligen Eisweiher in Völklingen. „Heute ist das aber einfach nur noch ein alter Brunnen“, inzwischen zwar ohne Wasser, aber mit einer ganzen Menge Erinnerungen gefüllt.

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