Unwort des Jahres: „Potenzielle Investoren“

Völklingen · Die Völklinger Stadtwerke-Holding und ihre Töchter GAV (Gewerbeansiedlung) und Meeresfischzucht (MFV) scheinen vorerst über den Berg. Ausgestanden ist die Krise damit aber nicht. Erik Kuhn, SPD-Fraktionschef im Stadtrat, und sein CDU-Kollege Stefan Rabel haben der SZ gesagt, wie sie die aktuelle Lage sehen und wie es nach ihrer Ansicht weitergehen soll.

Erik Kuhn, SPD-Fraktionschef im Völklinger Stadtrat, will zunächst Fakten sehen. "Wie dramatisch die Lage bei der Meeresfischzucht ist, ist zurzeit nicht im Detail bekannt", sagt er. Wirtschaftsprüfer hätten den Auftrag, die Zahlen nachzurechnen, die der jüngst entlassene Stadtwerke-Geschäftsführer Jochen Dahm (CDU ) vorgelegt habe - "die glaube ich nicht", sagt Kuhn. Ergebnisse werde es wohl Anfang November geben.

Scharfe Kritik übt Kuhn aber schon jetzt, speziell an Klaus Lorig (CDU ), dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Völklinger Oberbürgermeister. "Ich werfe ihm vor, dass er im Frühjahr keine einzige Aufsichtsratssitzung einberufen hat" - dabei habe er, Kuhn, wiederholt Sitzungen beantragt. Im Mai, knapp vor der Kommunalwahl, kam das Thema im Stadtrat zur Sprache; SPD , Linke, Grüne und Freie Wähler hatten das gemeinsam beantragt. Aufsichtsratssitzungen aber habe es vor der Wahl nicht gegeben. Über etwaige Schieflagen der Stadt-Unternehmen "hatten wir null Informationen im Aufsichtsrat", sagt Kuhn. Er vermutet dahinter politische Absicht: "Der OB hat versucht, die Wähler zu täuschen."

Erst mit Hilfe eines Rechtsanwaltes habe der Aufsichtsrat dann Informationen erhalten - im Herbst. Kuhn sagt: "Ich werfe Lorig vor, dass er sich nicht viel früher eingesetzt hat dafür, dass der Aufsichtsrat informiert wird." Und die Rede von "potenziellen Investoren", bei denen extra strenge Geheimhaltung nötig sei, könne er nicht mehr hören: "Das ist für mich das Unwort des Jahres."

Die SPD habe das Fischzucht-Projekt bereits in den Vorjahren skeptisch gesehen und im Aufsichtsrat "alle Finanzierungs-Entscheidungen abgelehnt". Die CDU habe es mit ihrer Rats- und Gremien-Mehrheit stets allein durchgesetzt.

Das sieht Stefan Rabel , CDU-Fraktionschef im Rat, anders. "Die Fischzucht war und ist kein Partei-Projekt. Und sie darf auch keines werden!", schreibt er in einer Stellungnahme. Habe die SPD doch den Start des Vorhabens mitgetragen. Dass sie sich später davon distanzierte, führt Rabel auch darauf zurück, dass " ‚ihr' Geschäftsführer Altpeter" zwischenzeitlich die Stadtwerke verlassen hatte. Der "eindeutige parteipolitische Hintergrund" des verbliebenen Stadtwerke-Chefs Dahm sei dann "Einladung zu parteipolitisch motivierter Kritik" gewesen. Die CDU hingegen habe - ebenfalls aus parteipolitischen Gründen - eher auf Pflichterfüllung gedrängt, als "auf Ablösung oder Entlassung zu setzen", sagt Rabel . Bis "das zerrüttete Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführer " nicht mehr heilbar gewesen sei.

Rabels Schlussfolgerung für die Zukunft: "An die Spitze einer solchen Unternehmung, zumal wenn absolutes Neuland beschritten wird, gehören hauptamtliche Experten mit kaufmännischem und technologischem Sach- und Fachverstand, unabhängig von Parteizugehörigkeit." Und ebenso wie Sozialdemokrat Kuhn fordert auch Christdemokrat Rabel , die Stadtwerke-Geschäftsführung müsse den Aufsichtsrat auf dem Laufenden halten: "Der ständige und wahrheitsgemäße Informationsfluss durch die Geschäftsführung muss künftig in kürzeren Abständen und unaufgefordert gewährleistet sein."

Auf jeden Fall, so Rabel , sei die Fischzucht ein sinnvolles Projekt. Und soll weitergeführt werden - "wenn auch so schnell wie möglich durch private Mehrheitseigner".

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Insolvenz der Stadtwerke-Holding und ihrer Töchter GAV (Gewerbeansiedlung) und MFV (Meeresfischzucht) ist vorerst abgewendet: Das war gestern aus Aufsichtsratskreisen zu erfahren. Klaus Lorig (CDU ), Aufsichtsratsvorsitzender und Völklinger Oberbürgermeister, und Wolfgang Bintz (CDU ), Interims-Geschäftsführer der drei Gesellschaften und Bürgermeister, waren gestern für die SZ nicht zu erreichen. dd

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