Sein Herz schlägt für die Arbeitnehmer

Völklingen · Nicht nur die Architektur prägt das Gesicht einer Stadt. Viel wichtiger sind die Menschen, die in der Stadt leben und arbeiten. Unsere Serie stellt in loser Folge einige vor – heute: Stephan Ahr, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats Saarstahl und SHS, vor sechs Jahren einstimmig in sein Amt gewählt.

 Das soziale Engagement in der Arbeitswelt hat Stephan Ahr, Konzernbetriebsratsvorsitzender Saarstahl und SHS, schon bei seinem Großvater und Vater erlebt. Foto: Rolf Ruppenthal

Das soziale Engagement in der Arbeitswelt hat Stephan Ahr, Konzernbetriebsratsvorsitzender Saarstahl und SHS, schon bei seinem Großvater und Vater erlebt. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

An diese Betriebsversammlung vor einigen Jahren werden sich viele Saarstahler noch lange erinnern: Anlässlich der Installation einer neuen technischen Anlage gingen Vorstand und Betriebsrat in ihren Ansprachen auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ein. Der Tenor: Trotz Wirtschaftskrise bleibt Saarstahl mit Hightech ein weltweit erfolgreiches Spitzenunternehmen. Auch Stephan Ahr, kurz zuvor zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt, lobte die Investitionsbereitschaft, betonte aber, ohne die Kompetenz und das Engagement der Belegschaft sei die beste Technik nutzlos. Zum Ende seiner Rede drehte er sich überraschend um und wandte sich direkt an den Vertriebsvorstand. "Es ist doch ganz einfach", sagte er mit energischem Ausdruck, "bringen Sie uns die Aufträge - den gesamten Rest machen wir!" Riesenbeifall.

"Das war ganz spontan", sagt er leise, haut dann aber mit der Faust auf den Tisch und fügt lachend hinzu: "Und dann kamen ja wirklich ordentlich Aufträge herein!" Wir sitzen im Arbeitszimmer von Stephan Ahr im Völklinger Betriebsratsgebäude. Zwei Stapel Aktenordner auf dem Schreibtisch, an der Wand ein riesiger Monitor, hinter ihm der Ausblick auf das Ausbildungszentrum. Stephan Ahr hat die Krawatte abgelegt, die Hände liegen übereinander auf der Tischplatte. Er kann beides, laut sein und leise, fordernd und kompromissbereit, er hört genau zu und reagiert punktgenau.

Diese Eigenschaften waren sicher mit ausschlaggebend, als er vor sechs Jahren zum Konzernbetriebsratsvorsitzenden von Saarstahl und der SHS Stahl-Holding-Saar gewählt wurde. "Einstimmig", wie er beiläufig erwähnt, "und zwar von Null auf Hundert."

Aber der Senkrechtstart im Engagement für die Arbeitnehmer hatte eine Vorgeschichte: "Einer meiner Großväter war mit Herz und Seele Kommunist, ein allseits geachteter Mann, und mein Vater war freigestellter Betriebsrat im Werk Burbach." Er selbst, heute 49 Jahre, hatte als 16-Jähriger den Vorsitz der Gesamtjugendvertretung der IG Metall übernommen. Damals war er Azubi als Technischer Zeichner, es folgte in Abendschule die Ausbildung zum Maschinenbautechniker, dann zum Konstrukteur. "Als Konstrukteur hätte ich gerne im Walzwerk Nauweiler weiter gearbeitet, das war meine Leidenschaft." Das war aber auch die Familientradition. "Ich wurde dann 2009 freigestellt, sofort nach oben gewählt, und alle dachten, was macht der Neue?"

Nun, was machte der Neue? "Wo soll ich anfangen?", fragt er leise. "Wir sind ja ein Team von dreißig Leuten, wir haben viele Investitionen angestoßen, das geht vom ergonomischen Schuh über Lohnfragen bis zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen." Und wichtig ist die Sozialberatung: "Die psychischen Erkrankungen nehmen zu, das ist in sehr vielen Betrieben leider so." Dann fällt das Stichwort Fukushima. "Wir haben für eine halbe Milliarde Euro eine Schmiede mit weltweiter Spitzentechnologie gebaut, und dann stockt plötzlich der Absatz von Generatorenwellen, dem Glanzstück der Produktion." Da war er gerade erst im Amt, und "es gab keine langen Diskussionen mit der Saarstahlführung". Mitarbeiter wurden umgesetzt, das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent erhöht, keine einzige Kündigung. Die Zusammenarbeit ist gut, sie ist konstruktiv-kritisch, es hakt selten, sagt Ahr. "Wir sind als Sozialpartner auf Augenhöhe anerkannt." Die Mitbestimmung findet statt: Stephan Ahr ist Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten des Unternehmens, außerdem ist er ehrenamtlicher Richter an mehreren Gerichten.

Bleibt da noch Zeit für Privates? Er lacht. "Das vermischt sich alles! Meine Frau war 15 Jahre im werkeigenen Versicherungskontor tätig, unser 18-jähriger Sohn macht hier nebenan eine Ausbildung zum Industriemechaniker, und sein vier Jahre älterer Bruder ist schon Vorsitzender der Jugendvertretung." Und es geht noch weiter: "Bei unseren Festen vom Betriebsrat wird unsere Dogge als Wachhund engagiert - mehr Saarstahl und Betriebsrat in der Familie geht wirklich nicht."

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