Bürger sollen schon in aller Herrgottsfrühe schippen Amtsschimmel wiehert im Schlaf

Sie sind es gewohnt, früh aufzustehen. Wenn Sie ganz gesetzestreu sein wollen, tun Sie es derzeit besser noch ein gutes Stück früher. Denn vor den gewohnten Morgenritualen in der Familie steht im Moment auch für Sie die Schneeräumpflicht.

Wer hat das in dieser Form erfunden? Das weiß niemand mehr so genau. Doch in kommunalen Satzungen von Völklingen über Saarbrücken bis hin nach Friedrichsthal steht wie in Stein gemeißelt: Anwohner müssen die Gehsteige vor ihrem Haus werktags von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends schnee- und eisfrei halten. Dies auf mindestens einem Meter Breite. Und sie dürfen  noch nicht einmal Streusalz benutzen. Daraus folgt: Frohes Schaffen, schon bevor Sie duschen, frühstücken, die Kinder auf den Weg zur Schule bringen, Ihr Auto freikratzen, sich zur Arbeit begeben. Und da womöglich sogar frei nehmen, um Ihrer Pflicht bis 20 Uhr zu genügen.

Auch ein (mittlerweile pensionierter) Bürgermeister nahm das offenbar nicht so ernst. Er wurde von Beobachtern in seinem Völklinger Stadtteil angepflaumt, weil er nicht schon in aller Herrgottsfrühe die Schippe in die Hand genommen hatte. „Soll ich denn im Dunkeln mit der Stirnlampe rausgehen?“, ist als seine Verteidigungsrede überliefert. Der Mann berief sich hier einfach auf den gesunden Menschenverstand.

Aber: Könnte der nicht schon vorher ansetzen, bevor Kommunalparlamente so etwas abnicken und Verwaltungschefs es per Unterschrift in Kraft setzen? „Es war schon immer so“, ist da zu hören. Ging wohl nur, weil kaum einer es wortwörtlich nahm. Wenn aber mal was passiert, droht dem Betreffenden – juristisch gesehen – Glatteis. Da sollten die Verantwortlichen endlich mal ihrer Räumpflicht nachkommen. Und zwar bei dieser unrealistisch formulierten Vorschrift.

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