Schaurig-schöner Moritaten-Abend mit Tränenliedern

Völklingen · Theatergruppe Titania startet mit neuem Stück im Völklinger Alten Bahnhof. Weitere Aufführungen folgen ab dem 9. Juni.

 „Menschen, Märchen, Moritaten“ mit den beiden Punkern in der Startszene, gespielt von Rainer und Heidi Müller. Foto: Becker & Bredel

„Menschen, Märchen, Moritaten“ mit den beiden Punkern in der Startszene, gespielt von Rainer und Heidi Müller. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Einloggen, surfen, rumdaddeln. Ist heute normal. Was fängt man aber bloß mit Menschen an, die nicht twittern? Das Völklinger Laientheater Titania zeigt's im neuen Stück "Menschen, Märchen, Moritaten". Freitagabend war Premiere.

Wenn im kleinen Theater im Alten Völklinger Bahnhof das Licht ausgeht, Regisseur, Ideengeber und Impresario Jürgen Reitz eigenhändig den Vorhang zur Seite schiebt, kommen sie heraus aus ihren Verstecken. Sieben skurrile Typen, sechs Frauen, ein männliches Wesen. Kehren dem Publikum den Rücken zu, starren auf die elektronische Nummernanzeige, sperrig gesagt handelt es sich um eine Personenaufrufanlage, stellen sich aufs wortlose Warten ein. Nix wie raus mit dem Handy und ins digitale Paradies abdriften - das wäre jetzt der Normalfall bei gefühlten 85 Prozent der Leute, in der Bahn, beim Doktor, sogar auf der Straße.

Hier nicht. Die Zahl Tausendundeins flimmert auf. Wie stimmig! Zwei Punks springen auf, drehen am Leierkasten, singen "Die Moritat von Mackie Messer", frei angereichert durch Brüder-Grimm-Figuren. "Dass doo woor jeddsd moo gons was onneres!", befinden die Mitspieler. Der Beginn eines schaurig-schönen Moritatenabends mit Tränenliedern aus der Küche ist gemacht. Makabres fördert das Titania-Team zu Tage, wie etwa im "Tantenmörder" von Frank Wedekind: "Das Geld war schwer zu tragen, die Tante viel schwerer noch." Unglaubliches ereignete sich anno dunnemals in Wiebelskirchen an der Saar, die grauselige Bluttat beim Pfarrersmord durch einen Gardeleutnant aus Berlin. Gier, Glück, Geld, Gold, ein sorgenfreies Leben, treibt die Protagonisten des beinahe atemlosen Spiels auf der Titaniabühne um, das ungefähr so lange dauert wie ein Fußballspiel mit Verlängerung. Nur viel spannender, möchte man hinzufügen. Auf die Idee, mit Entsetzen Scherz zu treiben, durch uralte Schauerballaden, Bänkelgesänge, bittersüße Gedichte und Geschichten, kann nur Jürgen Reitz kommen. Sein Titania-Ensemble setzt die gewollte Tragikomik wunderbar um. Dem Publikum bleibt der Reiz vergessen geglaubter Erzählromantik Marke "Asbach Uralt". Hier und da spürt man Gänsehaut. Die Begeisterung im Publikum ist groß.

In der Premiere wirkten mit: Rainer Müller, Heidi Müller, Hilde Mottweiler, Hilde Westrich, Kristin Hasper, Petra Beck, Mary Fey-Kaiser. Im Programmzettel sind weiter erwähnt: "Manuel Krass hat die originale Leierkastenmusik gemacht. Marion Runko bastelte den bombastischen Leierkasten. Mary sorgte sich um Essen und Trinken. Petra malte all die schönen Bilder. Rainer hat den Computer gefüttert. Jürgen Reitz führte Regie."

Weitere Vorstellungen von "Menschen, Märchen, Moritaten" können empfohlen werden, im nächsten Monat am Freitag, 9. Samstag, 10. und Freitag, 23. Juni, jeweils um 10.30 Uhr im Alten Bahnhof Völklingen.

Vorverkauf in der Tourist-Info Völklingen oder bei www.ticket-regional.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort