Wird die nördliche Innenstadt vergessen? „Die im Rathaus sollten die ganze Stadt sehen“

Völklingen · Geschäftsleute in der nördlichen Innenstadt fühlen sich von der Politik vernachlässigt. Ein Rundgang zeigt, was viele tun und denken.

 Herzliche Begrüßung unter Geschäftskollegen: Metzgermeister Roland Niebes mit Druck-Fachfrau Irene von der Eltz-Hell.

Herzliche Begrüßung unter Geschäftskollegen: Metzgermeister Roland Niebes mit Druck-Fachfrau Irene von der Eltz-Hell.

Foto: BeckerBredel

Die Stadtpolitik hätschelt seit rund 15 Jahren das sogenannte Innenstadtdreieck. Und lässt diesem Bereich, umgrenzt von Rathausstraße, unterer Posstraße und Bismarckstraße, besondere Aufmerksamkeit zukommen. Vernachlässigt und vergessen fühlen sich demgegenüber Dutzende von Geschäftsleuten in dem Bereich, der sich von der Bismarckstraße aus in Richtung Norden zieht: Anlass für unsere Zeitung, gemeinsam mit Insiderin Irene von der Eltz-Hell einen kleinen Streifzug durch die nördliche Innenstadt zu machen.

Irene von der Eltz-Hell führt eine Druckerei, die sich seit 1952 in der Poststraße 46, an der rechten Ecke des Platzes vor der Versöhnungskirche, befindet. Dort kann man Drucksachen aller Art fertigen lassen – von der Gruß- und Trauerkarte bis hin zum großen Plakat. ,,Das geht im Digitaldruck sehr schnell“, sagt Irene von der Eltz-Hell. ,,Wenn die Vorlage schon auf dem USB-Stick kommt, noch am gleichen Tag.“ Die Druckerei von der Eltz ist auch mit einem Bestell-Shop im Internet vertreten. Das Schaufenster ist voller Muster aller Art. Um so verblüffter ist von der Eltz-Hell dann, wenn Passanten hereinkommen und fragen: ,,Macht Ihr auch Karten?“

Doch die Druck-Fachfrau will uns ja vor allem zeigen, was es sonst noch alles Interessantes in dem Quartier mit seinen rund 10 000 Einwohnern gibt. Einige Schritte weiter in der Poststraße landen wir ,,beim Nibbes“, wie die Völklinger schon seit über 100 Jahren sagen. Obwohl dieser Familienbetrieb doch schon genauso lange Niebes (mit langem I) heißt. ,,Kann ich mir auch nicht erklären“, sagt Roland Niebes, heutiger Inhaber, schmunzelnd. Ein rascher Rundgang durch die Familiengeschichte: Die Metzgerei hat sich ihren Namen vor allem durch Pferdefleisch-Spezialitäten gemacht. ,,Aber heutzutage haben wir wirklich alles“, versichert Niebes vor einer gut gefüllten Theke. ,,Auch Lamm, Wild oder Hallertauer Rind.“ Ansonsten teilt Niebes die Sorgen vieler Kollegen: ,,Die grenzen uns aus bei der Weihnachtsbeleuchtung, bei der Begrünung. Die im Rathaus sollten endlich die gesamte Stadt sehen.“

Links um die Ecke geht‘s in die Hofstattstraße. Vorn erblickt man den Ensar Market, wo sich auch Irene von der Eltz-Hell gerne mit frischem Obst und Gemüse eindeckt. Dann kommt man, vorbei am alteingesessenen Bestatter Bollbach, zu einem Geschäft, das bereits in dritter Generation besteht. Heute führen die Brüder Eric und Mark die Spirituosenhandlung Freudenreich. Eric Freudenreich zeigt uns die „Schatzkammer“ vorne links im Laden. Sie hat die Form eines Weinfasses, vorne aufgeschnitten. Das massive Eisengitter an der Front versteht man schnell, wenn man im obersten Fach eine Flasche Remy Martin für 169,90 Euro sieht. Unten ruhen Weinjahrgänge ab 1935. Die Flaschen sehen entsprechend aus. ,,Abstauben verboten“, sagt Eric Freudenreich schmunzelnd. Aber es muss nicht immer teuer sein. ,,Weine aus der Pfalz zwischen fünf unf sieben Euro gehen derzeit am besten“, sagt Eric Freudenreich.

Wir biegen ab in die Moltkestraße. Dort begleitet uns Irene von der Eltz-Hell zu Wilhelm Altmeyer. Der führt uns ein in seine ,,Farben- und Wohnwelt“. Da steht auch schon erste Weihnachts-Deko in der Vitrine. Und ansonsten gibt es alles, was der Namen verspricht: Farben, auch ein Mischgerät steht parat, Tapeten, Gardinen, Bodenbeläge aller Art. Altmeyers Konzept: ,,Ich führe hochwertige Dinge, die die Leute nicht im Baumarkt kriegen und im Internet nicht betatschen können.“

Unser Weg führt an einigen „Völklinger Leuchttürmen“ vorbei. Das sind Geschäftsleute, die in den vergangenen Jahren die gleichnamige Auszeichnung des Völklinger Wirtschaftskreises erhalten haben. Dazu gehört Elektro Hermann in der Moltkestraße, wo es alles von der Glühbirne bis hin zur kompletten Kücheneinrichtung gibt.

Bei Leuchtturm-Träger Roland Niebes waren wir schon. Wir besuchen nun auch noch Mit-Preisträger Eric Hachenthal in seiner Feinkost-Metzgerei in der oberen Poststraße. Hachenthal ist unter anderem dafür bekannt, dass er für große Empfänge („auch 450 Personen wie beim Feuerwehrball sind kein Problem“) die leckeren Häppchen liefert. Und natürlich gibt’s auch im Laden Feinkost bis hin zu Delikatessen wie Parmaschinken (Kilopreis aktuell 53 Euro) oder American Beef (60 Euro das Kilo). Der Familienbetrieb (bald 100 Jahre in Völklingen) führt aber auch Dinge, die man sich im Alltag leisten kann. So ist aktuell zum Beispiel gemischtes Gulasch für 8,90 Euro das Kilo im Angebot.

 Eric Freudenreich zeigt uns seine „Schatzkammer“. Die edlen Weine und Spirituosen ruhen sonst hinter einem massiven Eisengitter.

Eric Freudenreich zeigt uns seine „Schatzkammer“. Die edlen Weine und Spirituosen ruhen sonst hinter einem massiven Eisengitter.

Foto: BeckerBredel
 Wilhelm Altmeyer setzt in seinem Geschäft auf hochwertige Ware, „die sonst nirgendwo im Umkreis zu haben ist“.

Wilhelm Altmeyer setzt in seinem Geschäft auf hochwertige Ware, „die sonst nirgendwo im Umkreis zu haben ist“.

Foto: BeckerBredel
 Sein Erkennungszeichen ist die Fliege: Feinkost-Metzger Eric Hachenthal.

Sein Erkennungszeichen ist die Fliege: Feinkost-Metzger Eric Hachenthal.

Foto: BeckerBredel

Von Hachenthal aus sind es nur wenige Schritte bis zur Bäckerei Speicher. Bäckermeister Peter Speicher ist auch ein Mann für Kreatives: Zur Keltenausstellung im Weltkulturerbe backte er so Keltenkringel nach einem historischen Rezept. Es gäbe noch viel mehr aufzuzählen. Aber unser Rundgang soll ja zunächst mal nur Appetit auf die nördliche Innenstadt machen. Wo es übrigens auch viele Dienstleister vom Friseursalon bis hin zum KfZ-Meisterbetrieb gibt.

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