Politische Debatte um Fischzucht beginnt neu

Völklingen · Das Meeresfischzucht-Projekt hat Völklingens Stadtwerke in Schieflage gebracht. Der Rat hat, wie berichtet, Stadtwerke-Chef Jochen Dahm (CDU) entlassen. Doch wie steht es um die (Gesamt-)Verantwortung für die kritische Lage?

 Im kleinen Stil werden seit April vor der Fürstenhausener Werkshalle Fische verkauft (hier Jörg und Heike Reichert mit den ersten Kunden). Der Verkauf im großen Stil hat kurz darauf begonnen – und der läuft miserabel. Das prangern Völklingens Linke jetzt an. Foto: Jenal

Im kleinen Stil werden seit April vor der Fürstenhausener Werkshalle Fische verkauft (hier Jörg und Heike Reichert mit den ersten Kunden). Der Verkauf im großen Stil hat kurz darauf begonnen – und der läuft miserabel. Das prangern Völklingens Linke jetzt an. Foto: Jenal

Foto: Jenal

Die kommunalpolitischen Kämpfe um das von Anfang an heiß umstrittene Fischzucht-Projekt beginnen neu. Wer trägt die Verantwortung für die kritische aktuelle Lage? Wie kann, soll, muss die Stadtpolitik damit umgehen?

Als Erste haben sich jetzt die Völklinger Linken zu Wort gemeldet. Nach der "längst überfälligen Entlassung von Stadtwerke-Geschäftsführer Jochen Dahm" (CDU ), schreibt Stadtrats-Fraktionschef Klaus Degen, stelle sich die Frage, "ob nicht die ganze Projektierung und Organisation von Anfang an als eine Farce zu Lasten der Völklinger Gebührenzahler angelegt war" und "strafrechtliche Konsequenzen folgen" müssten.

Beleuchtet gehöre auch die Rolle von Hans Agostini und Gerd Schnyder. Agostini, Vorsitzender des Völklinger Wirtschaftskreises und Präsident des saarländischen Einzelhandelsverbandes, und der Schweizer Schnyder, Marketingberater "mit Geschäftsadressen in Hanau und Hanoi", sollten sich seit Januar 2013 um den Vertrieb der Fische kümmern. Der aber war nach Auskunft von Klaus Lorig (CDU ), Aufsichtsratsvorsitzender und Völklinger Oberbürgermeister, "mangelhaft". Den Vertriebs-Beauftragten werfen die Linken nun "Versagen" vor und fordern, dass Agostini und Schnyder abberufen werden und "erhaltene Geldleistungen" zurückgeben. Am Abend der Ratssitzung war von Mitgliedern der Linken-Fraktion auch eine weitere Forderung zu vernehmen: OB Lorig müsse zurücktreten.

Seit 2006, als von dem Projekt erstmals die Rede war, hatten sich Lorig und Völklingens CDU stets für das Fischzuchtprojekt - und zwar in der Regie der Stadtwerke - stark gemacht. Die CDU mit ihrer absoluten Ratsmehrheit stellte 2008 passend die Weichen: Dahm, damals noch Bürgermeister, wechselte an die Spitze der Stadtwerke , Bintz rückte im Rathaus nach. So blieben Schlüsselpositionen langfristig in der Hand der CDU , unberührt von den seit der Kommunalwahl 2009 veränderten Ratsmehrheiten.

Im Wahlkampf 2009 und ein Jahr später, als die Völklinger zur Oberbürgermeisterwahl an die Urnen gingen, spielte die Fischzucht eine zentrale Rolle. SPD , Linke, Grüne und Freie Wähler kritisierten das Vorhaben und das Engagement der Stadtwerke dabei. Die CDU hingegen hielt dem Projekt die Stange. Und Dahm den Rücken frei - bis auch sie ihn am Dienstag fallen ließ.

Da beschloss der Stadtrat, Stadtwerke-Chef Jochen Dahm fristlos zu entlassen, nachdem sich eine dramatische finanzielle Schieflage bei der Stadtwerke-Holding und ihren Tochtergesellschaften Gewerbeansiedlung Völklingen (GAV) und Meeresfischzucht Völklingen (MFV) herausgestellt hatte (wir berichteten bereits). Bürgermeister Wolfgang Bintz (CDU ), der vorübergehend die Leitung der drei städtischen Gesellschaften übernommen hat, kämpft nun darum, sie vor der Insolvenz zu bewahren.

> Weiterer Bericht folgt.

Meinung:

Partei-Projekte sind ungesund

Von SZ-Redakteurin Doris Döpke

Probleme, Kritik, politische und finanzielle Querelen haben das Völklinger Fischzucht-Projekt von Anfang an - also seit seit acht Jahren - begleitet. Es gab Verzögerungen allerorten, beim Bau, beim Fischbesatz, bei der Inbetriebnahme, beim geplanten Anteilsverkauf. Als Folge stiegen die Kosten. Und mittlerweile schlagen die Finanznöte der Fischzucht-Tochter voll durch auf die Muttergesellschaft, die Stadtwerke .

Da ist klar, dass die politische Debatte um das Projekt neu beginnt. Und bald auch die Verfechter des Vorhabens erreichen wird. Die Fischzucht war zum guten Teil ein Partei-Projekt: erfunden und festgezurrt zu Zeiten absoluter CDU-Mehrheit im Stadtrat und den Stadtwerke-Aufsichtsräten, vorangetrieben und gestützt von der CDU . Noch im Mai warfen die Christdemokraten im Rat der SPD , den Linken, den Grünen und den Freien Wählern "Wahlkampf " vor, als diese öffentliche Auskunft über den Stand der Dinge und - nach deren Ausbleiben - Jochen Dahms Abberufung forderten. Viel zu lange hat Völklingens CDU dem Schlingern zugesehen. Was erst recht für OB Lorig gilt: Als Aufsichtsratsvorsitzender hätte er viel früher eingreifen können. Nein: müssen.

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