Plötzlich bricht die Nacht herein

Völklingen · Die sanfte Nacht bedichtet Theodor Storm in „Mondlicht“, Nächte sind ab und an aber recht unsanft, findet Ruth Rousselange.

Meinung:
Plötzlich bricht die Nacht herein

Kürzlich habe ich mir eine diffizile Frage gestellt: Warum "fällt" die Nacht bei uns eigentlich nicht, so wie sie es im Französischen tut, "la nuit tombe", und im Englischen, "night falls"? Was macht sie hier bei uns stattdessen? Sie bricht herein. Das klingt arg martialisch. Fallen kann die Nacht ja auch sacht, behutsam, langsam. Aber hereinbrechen? "Rums bums", schon ist sie da! Welch wenig poetisches Gepolter.

Und was macht der Tag? Er "bricht" ebenfalls, "an" nämlich. "Le jour se lève" heißt es auf Französisch. Da erhebt der Tag sich sehr elegant. Auch das Englische "day is dawning" ist hübsch. Dem Tag scheint hier zu dämmern, er könne endlich mal hinne machen. Warum nur klingt im Deutschen so vieles nach Vorschlaghammer? Ich sitze am PC auf der Suche nach vornehmen deutschen Redewendungen, als ganz plötzlich die Nacht hereinbricht.

Nur noch mein Bildschirm ist hell, beleuchtet meine Schlabberweste und mein nachlässig zusammengeknotetes Haar. Hätte sich die Nacht nicht ankündigen können? Nun sieht doch jeder, wie mäßig frisiert ich bin und dass ich nichts Besseres zu tun habe, als auf meiner Tastatur herumzuhacken. Statt mich mit Leuten zu treffen, Abendessen zu kochen oder sonstigen elementaren häuslichen Verrichtungen nachzugehen. Weiß ja keiner, dass ich hier wichtige sprachwissenschaftliche Studien betreibe.

Die Nacht, das Dunkel, unerschöpfliche Themen. Ich schließe die Läden, greife mir Thomas Glavinics "Arbeit der Nacht" - hu, schaurig -, verziehe mich damit ins Bett und warte darauf, in tiefen Schlummer zu sinken. "Sombrer dans un sommeil profond" heißt's auf Französisch, hört sich aber auch auf Deutsch nett an. Und ist hier wie dort erquicklich.

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