Ausländergedenkstätte Neuer Name für Gedenk-Ort?

Völklingen · Die Zeit, in der Zwangsarbeiter in der Völklinger Hütte schuften mussten, ist öffentlich kaum präsent. Der Ortsrat könnte das jetzt ändern.

 Gedenktafel auf dem Völklinger Waldfriedhof, „Ausländergedenkstätte“ genannt. Man liest auf einer steinernen Tafel die Namen Verstorbener; doch wie sie starben, erfährt man nicht.

Gedenktafel auf dem Völklinger Waldfriedhof, „Ausländergedenkstätte“ genannt. Man liest auf einer steinernen Tafel die Namen Verstorbener; doch wie sie starben, erfährt man nicht.

Foto: Caroline Conrad/ Aktionsbündnis Stolpersteine

  Die Eisen- und Stahlindustrie hat im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Menschen nach Völklingen gezogen,  sie bot schließlich vielen Arbeit und Brot. Während der Weltkriege aber wurden auch  Hüttenarbeiter zum Militär eingezogen, den als „kriegswichtig“ eingestuften Betrieben fehlte es an Arbeitskräften. Werksleitung und Staatsmacht wendeten Gewalt an: Zwangsarbeiter, teilweise auch Kriegsgefangene mussten in der Hütte schuften.

In den Jahren 1941 bis 1945 waren gut 7000 Männer und Frauen unfreiwillig in der Hüttenstadt. Aus Polen, aus Russland, aus der Ukraine und anderen Ländern waren sie, zumeist an Kriegshandlungen unbeteiligte Zivilisten, nach Deutschland verschleppt worden. In Völklingen hatten sie zehn, zwölf, mitunter 16 Stunden täglich härteste Arbeit zu leisten. Unter unmenschlichen Bedingungen, untergebracht in provisorischen Lagern, mit unzulänglicher Ernährung, schlechter medizinischer Versorgung, oft Opfer von Grausamkeiten des Wachpersonals. Mehr als 200 Zwangsarbeiter sahen ihre Heimat nie wieder, sie sind in Völklingen gestorben.

Eine Tafel auf dem Völklinger Waldfriedhof listet ihre Namen auf. „Ausländergedenkstätte“ wird der  Ort genannt – eine ungenaue, falsche Bezeichnung, meint die Bürgerinitiative (BI) gegen das Vergessen und die Gleichgültigkeit, „Zwangsarbeitergedenkstätte“ müsse er statt dessen heißen. Zusammen mit dem Linken-Stadtverordneten Georg Jungfleisch hat die BI eine entsprechende Eingabe bei der Stadt eingereicht. Die wird nun bei der nächsten Sitzung des Völklinger Ortsrates am Mittwoch, 18. Oktober, 17 Uhr, im Saal 2 des Neuen Rathauses Diskussionsthema sein.

Die Stadtverwaltung hat sich die Eingabe weder zu eigen gemacht noch sie einfach abgelehnt. Sie hat vielmehr den „zuständigen Stadtarchivar“ beauftragt, zu prüfen, ob die von der Bürgerinitiative gewünschte Namensänderung sinnvoll und richtig sei. Christian Reuther, bis Anfang des Jahres Leiter des Völklinger Stadtarchivs, war für solch eine Prüfung sicher der richtige Experte; denn er hat sich eingehend mit dem dunklen Zwangsarbeits-Kapitel der Völklinger Geschichte befasst und viele Details dazu ans Licht der Öffentlichkeit gebracht.

Die Sitzungsvorlage für den Ortsrat fasst sein Prüfungsergebnis etwa so zusammen: Angelegt wurde das Gräberfeld auf dem Waldfriedhof 1942 für ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter, daher sei der etwa 1990 eingeführte Name „Ausländergedenkstätte“ durchaus berechtigt. Mit wenigen Ausnahmen seien dort Zwangsarbeiter bestattet, jedoch beziehe sich etwa ein Fünftel der Inschriften auf Säuglinge; der Begriff „Zwangsarbeitergedenkstätte“ scheine daher „wenig zutreffend und ist auch nicht gerechtfertigt“.

Aber um 1950 habe man das Gräberfeld umgestaltet und ihm einen Mahn- und Gedenkcharakter verliehen; der Ort könne nunmehr als „Stätte zur Erinnerung an während der Jahre 1941 bis 1945 in Völklingen verstorbenen Menschen angesehen werden“. Von daher sei „eine Umbenennung der Anlage in ‚Erinnerungsstätte an die Zwangsarbeit in Völklingen’ möglich“. Zusätzlich, so heißt es weiter, werde angeregt, eine Informationstafel aufzustellen, „auf der ein Text über den historischen Kontext des Gräberfeldes und Angaben zu den genannten Opfern angebracht werden“. Das nötige Wissen dazu gibt es – durch Akten und Zeitzeugenberichte ist das Schicksal vieler Zwangsarbeiter dokumentiert, auch dank der Nachforschungen von Stadtarchivar Reuther selbst.

 Zwangsarbeit in den Röchling’schen Eisen- und Stahlwerken während des Zweiten Weltkriegs: Daran erinnert seit August 2014 diese „Stolperschwelle“ vor dem Haupteingang des Weltkulturerbes Völklinger Hütte.

Zwangsarbeit in den Röchling’schen Eisen- und Stahlwerken während des Zweiten Weltkriegs: Daran erinnert seit August 2014 diese „Stolperschwelle“ vor dem Haupteingang des Weltkulturerbes Völklinger Hütte.

Foto: BeckerBredel

Jetzt ist der Ortsrat am Zug. Innerörtliche Namen sind seine ureigenste Angelegenheit.

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