„Mit Stahlarbeitern legt man sich nicht an“

Völklingen · Beim bundesweiten Stahl-Aktionstag gab es gestern auch in Völklingen eine Demonstration. Fast 10 000 Menschen versammelten sich auf dem Hindenburgplatz, um ein Zeichen zu setzen für den Erhalt der Stahlindustrie in der Region.

 Saarstahl-Orange und IG-Metall-Rot: Stahl-Kundgebung auf dem Hindenburgplatz. Foto: Becker & Bredel

Saarstahl-Orange und IG-Metall-Rot: Stahl-Kundgebung auf dem Hindenburgplatz. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Stahl-Einfuhren aus China zu Dumpingpreisen und schärfere, sprich: deutlich teurere Umwelt-Vorschriften der EU: Dadurch sieht die IG Metall die Stahlindustrie in Deutschland bedroht (wir berichteten mehrfach). Aber "Stahl ist Zukunft" - unter diesem Motto ziehen am Montag Stahlarbeiter zur Demonstration durch Völklingen . "Die Werke stehen bis 14 Uhr still", sagt Susanne Heintz, Sprecherin der Saarstahl AG. "Soweit ich mich erinnern kann, gab es das bisher noch nicht, dass alle Beschäftigten für mehrere Stunden ihre Arbeit niederlegen. Und alles in Rücksprache mit den Vorständen."

Viele Stahlarbeiter sind es und auch Bürger. Sehr viele: Fast 10 000 Menschen versammeln sich auf dem Hindenburgplatz. Der allerdings nicht, wie man es aus der Redensart kennt, schwarz vor Menschen ist, sondern orange und rot: Die Stahlwerker sind in Arbeitskluft gekommen, und sie haben einen ganzen Wald von IG Metall-Fahnen dabei.

Die Stimmung: wach, aufmerksam, die Leute wissen, worum es es geht. Einig und ein bisschen gemütlich - am Rand des Platzes stehen Imbiss- und Getränkebuden. Aber vor allem kämpferisch: Die Redner der Kundgebung, die symbolträchtig um fünf vor zwölf beginnt, bekommen für starke Worte starken Applaus.

"Stahl gehört zum Saarland wie die Saar. Und wir müssen dafür kämpfen, dass das auch in Zukunft so ist", ruft Anke Rehlinger ; als saarländische Wirtschaftsministerin werde sie sich an die Spitze stellen, um für die Erhaltung der Arbeitsplätze zu kämpfen - Beifall und Jubel von allen Seiten. Auch für Oskar Lafontaine von den Linken. "Die Stahlindustrie ist das Herz des Saarlandes, und das darf nicht aufhören zu schlagen", sagt er. "Wir lassen uns das Herz nicht rausreißen von der Brüsseler Beamten-Bürokratie!", schließt Guido Lesch, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen , seinen leidenschaftlichen Appell für die Erhaltung der lokalen Stahlproduktion. "Hört auf zu reden und handelt endlich!", fordert Stephan Ahr, Vorsitzender des Saarstahl-Konzernbetriebsrats, die Politiker auf. Und beschwört gewerkschaftliche Gemeinsamkeit und Stärke: "Wir lassen uns nicht spalten, wir halten zusammen - mit den Stahlarbeitern legt man sich besser nicht an." Und: Ohne Stahlindustrie könne das Saarland nicht existieren, "aber ich will Saarländer bleiben" - Trillerpfeifen signalisieren lautstark Zustimmung. > Seiten A 1 und A 2: Weitere Berichte.

Warum sind die Menschen zum Stahl-Aktionstag gekommen? "Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Arbeitsplätze bei Saarstahl erhalten bleiben", sagt Lena Feith (26), Industriekauffrau aus Schmelz. "Im Saarland gibt es insgesamt rund 600 Azubis, und wir müssen einfach etwas bewegen", ergänzt ihre Kollegin Lisa Hahn (24). Christine Leidinger-Bartz ist Erzieherin im Völklinger Saarstahl-Betriebskindergarten. "Wenn die Eltern arbeitslos werden, verschlechtern sich die Zukunftsaussichten der Kinder", sagt die 54-jährige Lebacherin. Die Fürstenhausenerin Elke Westphal (71) und ihr Mann sind aus Solidarität dabei ("mein Mann war Elektriker bei Saarstahl"). "Erst die Grubenschließung, dann das Stahl ende, und zum Schluss gehen wir zurück zu Ackerbau und Viehzucht. Das kann nicht sein", sagt Stephan Hensgen (51) aufgebracht. Der Ensdorfer ist mit VSE-Kollegen gekommen. "Man muss auch an die Automobilindustrie denken und an Kleinunternehmen denken, die ihren Stahl von uns beziehen", sagt Azubi Kevin Finkler (17). "Wenn wir diesen Kampf verlieren, dann kann man das Saarland auflösen", sagt Reinhold Reiter (58) aus Völklingen .

Solidarisch ist auch der Völklinger Wirtschaftskreis. Vorsitzender Hans Agostini berichtet, dass Völklinger Geschäfte 130 Unterstützungs-Unterschriften gesammelt haben; wenn man hier nicht zusammenstehe, drohe ein Fiasko.

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