Kolumne Unverhoffte Fensterbank-Farbe

Schöne Überraschung: Manchmal gelingt etwas, obwohl man im Vorfeld so ziemlich alle Fehler gemacht hat, die sich machen lassen.

Manchmal gelingen Dinge auch, obwohl man alles falsch gemacht hat.
Foto: SZ/Robby Lorenz

Gibt’s doch nicht. Das Ding hatte ich längst abgeschrieben für dieses Jahr, weil ich mal wieder alles falsch gemacht hatte mit ihm. Und was tut es? Schert sich kein bisschen um die Vernachlässigung. Sondern blühtblühtblüht.

Gärtnern im Freiland und Zimmerpflanzen hätscheln, das sind grundverschiedene Welten. Mit Ersterem habe ich inzwischen ein wenig Übung. Letzteres wird wohl nie meine Sache werden. Ich hatte völlig vergessen, dass man den Amaryllis im Herbst Ruhe gönnen soll: weg vom hellen Ostsüdostfenster, ab in den dunklen, kühlen Keller, zwei, drei Monate nicht gießen. Und dann frische Erde und retour in die Wärme. Keine dieser Wohltaten hatte ich ihm angetan, diesem Gewächs, das Botaniker übrigens mitnichten als Amaryllis anreden, sondern als Hippeastrum, auf Deutsch: Ritterstern.

Der pummeligen Zwiebel dürften  Namens-Debatten ebenso egal sein wie den sommerlichen Geranien, die ja eigentlich Pelargonien sind. Die Zwiebel, so zeigte sich, trägt noch mehr mit Gleichmut. Ich war betrübt, als mir Anfang Dezember  auffiel, dass wir beide die Pause verpasst hatten. Sie nicht – in Windeseile schob sie einen dicken Blütenstiel, als wolle sie sagen: Pah, ich kann’s auch so. Eine gute Woche später setzte sie eins drauf: Blütenstiel Nummer zwei fiel noch prächtiger aus als Nummer eins. Glühendes Rot vor nieseligem Dauerregengrau – das kam unverhofft. Zumal das arme Ding nun schon zwei Jahre im Ruhelos-Modus leben muss, im vorigen Herbst hatte ich die Pause auch verschwitzt. Kurz vor Heiligabend ging der Pflanze allerdings die Puste aus,  da musste ich auf Floristen-Rot zurückgreifen.

Mit Neujahrs-Vorsätzen habe ich es ja sonst nicht, aber einer ist nun gefasst: Die Fensterbank-Schönheit wird ab sofort liebevoll behandelt. So viel (Über-)Lebenskunst gehört belohnt.

Vielleicht kriege ich’s dann ja auch hin, dass das Rot pünktlich zu Weihnachten aufleuchtet. Hat beim Weihnachtskaktus auch geklappt. Wobei ich keine Ahnung habe, wieso.

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