„Man muss Geschichten erzählen“

Völklingen · Die Vergangenheit möchte Peter Zeller, neuer Chef der Fischzucht, nicht kommentieren. „Ruhe in die Sache zu bringen, ist wahrscheinlich das Wichtigste“, sagt er. Er will nach vorn schauen – er hat viel vor.

Ein Kingfish schwimmt im wasserlos weißen Bildraum auf den Betrachter zu. Das Tier wirkt freundlich, ein Kunststück beim Fische-Fotografieren. Daneben liest man "Le King, c'est moi". Peter Zeller klickt weiter auf seinem Laptop, eine Dorade erscheint auf dem Monitor. Text dazu: "max. Frisch". Ob es dem großen Schweizer Schriftsteller wohl behagt hätte, seinen Namen in diesem Zusammen zu sehen? Zeller lacht. "Das heißt doch nur ‚maximal frisch' ", sagt er verschmitzt.

Der Schweizer Peter Zeller ist neuer Chef der Völklinger Meeresfischzucht. Die Anlage gehört jetzt der Fresh Völklingen GmbH (siehe "Hintergrund"). Geschäftsführer Zeller kommt aus dem Marketing - dem, was er im Gespräch präsentiert, merkt man es an. Das Werbekonzept steht, professionell, pfiffig. Auf dem Kühltransporter draußen vor der Halle prangt das neue Logo, vor einer Eismeerlandschaft fliegt eine Küstenseeschwalbe mit einem Fisch im Schnabel. Symbolträchtig, erklärt Zeller: der Vogel mit der weltweit längsten Zugstrecke, vom Nord- zum Südpol. Und ein Teil der Vögel wandert stets an der Küste Südamerikas entlang, ein anderer über Afrika; so könne man das Logo-Tier auch in südliche Landschaftsbilder einpassen. "Man muss zum Produkt Geschichten erzählen", sagt Zeller.

Das Produkt selbst, Meeresfisch aus Völklingen , nennt er "begehrenswert". Und "begehrt" - er zückt sein Handy, zeigt ein Foto: Ein Züricher Restaurantkoch hält strahlend zwei Gelbschwanzmakrelen in die Höhe, Kingfish aus Völklingen . "Er freut sich, weil er zum ersten Mal Kingfish in der Hand hat, der noch nie gefroren war", lautet Zellers Geschichte dazu. Diese Fischart, hierzulande wenig bekannt, sei ideal für japanische Sashimi-Gerichte. Und in Europa sonst nur tiefgekühlt zu haben. Nicht frisch - außer in Völklingen .

Wichtigstes Alleinstellungsmerkmal der Völklinger "Fischfarm", wie Zeller den Betrieb nennt, sei aber Zuverlässigkeit: "Ich kann einem Kunden nächstes Jahr zu Weihnachten genau so viel Fisch liefern, wie er haben will." Und - so steht es auf dem Auto - als "catch of the day", tagesfrisch. Vorteil für Händler-Kunden: kaum Abfall durch übrig Bleibendes und Verderbnis. Aus dem so erzielten Mehrerlös könne der Kunde dem Lieferanten dann auch einen guten Preis zahlen.

Aber "wir feilschen nicht um einen halben Euro pro Kilo", sagt Zeller. Beim Aufbau neuer Kundenbeziehungen ("das wird über zwei Jahre gehen") seien die Preise für den Fisch weniger wichtig als langfristige Partnerschaft. Luxemburg - Zeller spricht von einer Firma, die führend sei bei der Gastronomie-Belieferung - und die Schweiz stehen als Märkte im Blickpunkt. Die bisherigen Fischarten will Zeller beibehalten, Dorade, Wolfsbarsch, Kingfish, Letzteren vielleicht sogar in größerer Menge als jetzt. Der Mix sei aber noch offen. Wird über den Neubesatz je nach Nachfrage entschieden? "Natürlich! Wie denn sonst?", antwortet Zeller wie aus der Pistole geschossen.

Kurzfristig will er erstmal die Anlage auf Vordermann bringen. Für das Becken, das nach den Wolfsbarsch-Notschlachtungen vom Juli still liegt, und das Nachbarbecken stehen Revisionen an. Dann sollen die beiden weiteren Becken überholt werden. Das sei dringend nötig, technische Verbesserungen inklusive, da gebe es Nachholbedarf. Fassade und Umfeld der Halle sollen aufgemöbelt werden. Und Zeller will umbauen. Im Obergeschoss soll ein Sitzungsraum entstehen, auch für Tagungen: "Wir wollen die Forschung intensivieren" - ja, die Forschungshalle gegenüber, in der die Hochschule für Technik und Wirtschaft arbeitet, habe man auch erworben. Ebenso die Schlachtung - "Kaufen statt Leasing" lautet Zellers Devise -, sie soll integriert werden in den Bau. Im gleichen Zug will Zeller auch den Werksverkauf wiederbeleben. Vielleicht in Gestalt einer Verkaufstheke neben einer "gläsernen" Schlachtanlage; "man kann aus vielem ein Erlebnis machen", sagt er.

Die Mitarbeiter hat die Fresh GmbH alle übernommen, das Bangen um den Job ist für sie beendet. "Ich bewundere die Leistungs- und auch Leidensfähigkeit des Teams", sagt Zeller. Den Mitarbeitern will er künftig mehr Entscheidungsbefugnis übertragen, "und sie sollen dabei nicht aufs Budget schauen". Er selbst werde pendeln zwischen Völklingen und Zürich, wo seine Familie lebt. Aber er werde oft in Völklingen sein: "Ich habe im Leonardo-Hotel 100 Nächte gekauft", sagt er lachend.

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HintergrundZwei neue Gesellschaften, im Juni gegründet, sind seit dem 6. August verantwortlich für die Völklinger Meeresfischzucht. Die Völklingen Fresh GmbH kümmert sich um den Betrieb, die Fresh Real Estate GmbH um die Immobilien. Eine Holding bildet das "Dach" darüber. Geschäftsführer aller drei Gesellschaften ist der Schweizer Marketing-Fachmann Peter Zeller, Jahrgang 1969. Die neuen Firmen agieren nach Zellers Auskunft nur mit Einlagen privater Investoren, ohne Bank, ohne Darlehen. Man arbeite im Netzwerk, sagt Zeller, "wir sind eine Art Business-Club". dd

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