Kolumne Letzter Sommergruß von hoch oben

Nächtliche Rufe aus der Luft: Die Kraniche ziehen. Am Samstag war Großreisetag.

Kranichzug über dem Regionalverband: Großreisetag
Foto: SZ/Robby Lorenz

Zunächst hört man sie nur. Weit weg, ziemlich unklar. „Hören Sie die Gänse?“, fragt mein Gesprächspartner. Wir horchen. Der Laut wird deutlicher. Sekunden später wissen wir: keine Gänse. „Gruuu-gruuu“ ruft es aus der Luft – Kraniche. Viele, ganz nah. Einen Moment drauf tauchen sie zwischen den Häusern auf, fast über unseren Köpfen, energisch mit den Flügeln schlagend. Steigflug, sie wollen höher hinaus.

Dann sind sie für uns erstmal unsichtbar, quasi verschluckt von den Baumwipfeln. Aber Richtung Südwesten lässt der Wald den Blick frei. Dort sehen wir sie plötzlich wieder. Hoch am schon dämmerigen Himmel, eine schmale, elegante Keilformation, fast endlos – es sind viele Vögel unterwegs, unablässig rufend.  Noch ein Keil. Ein dritter, ein vierter. Sie fliegen schnell, gleiten, der Wind in der Höhe steht offenbar günstig. Und schon sind sie vorüber, es ist wieder still. Bewundernd stehen wir da. Staunen über das Tempo der Vögel, die Exaktheit ihrer Formation, die Zielsicherheit ihres Flugs.

Es wird  dunkel, man sieht nichts mehr. Aber wieder und wieder wird es laut am Nachthimmel, „gruuu-gruu“, Trupp um Trupp zieht nach Südwesten. Großreisetag, Beobachter in Hessen haben am Samstag 45 000 Kraniche gezählt. Das waren unsere Nachtvögel, 45 bis 65 Kilometer schaffen Kraniche pro Stunde. Noch drei Flugstunden mehr, und der nächste Rastplatz auf der herbstlichen Reise ist erreicht – am Lac du Der-Chantecoq in der Champagne wurden am Sonntagmorgen mehr als 55 000 Kraniche gesichtet.

Ach, man möchte mitfliegen mit den „Vögeln des Glücks“, den Wolken nahe, getragen vom Wind, gen Süden, in die Sonne. Für unsereins, Bodenpersonal, ist der Sommer nun endgültig vorbei. Tröstlich  zu wissen,  dass die Kraniche zurückkehren werden.

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