So ein Quatsch In guter Familientradition

Die Großmutter hat’s erlebt, die Mutter auch – und jetzt haben die Geister es endlich zur nächsten Generation geschafft.

So ein Quatsch: In guter Familientradition
Foto: SZ/Robby Lorenz

Ich war noch nicht ganz wach, da sehe ich durch die offene Tür eine Frau im Wohnzimmer stehen: großer runder Kopf, dicke, starke Haare, die hinten zusammengebunden sind, und der Körper in eine Decke gehüllt. Zack, war ich wach. Schnell auf, aber da war sie schon wieder verschwunden.

Dazu muss man wissen: Solche Erscheinungen sind in unserer Familie keine Seltenheit. Bei uns geben sich die Geister die Klinke in die Hand. Eine komplette Partygesellschaft in klassischen Gewändern hat sich schon mal zu uns des Nachts an den Waldrand verirrt und munter umher gespukt. Und in einer anderen Nacht schritt jemand im Rücken unserer durchaus vitalen und nüchternen Wohnzimmerbevölkerung, von der niemand sich traute, sich umzudrehen, über das Parkett. Da gibt es noch viel mehr.

Doch all das kenne ich nur von meiner Großmutter, die mir gegenüber am Küchentisch saß und davon erzählte, während der Rauch ihrer Zigarette in langen, dünnen Fäden ihren ergrauten Kopf umkreiste.

Die Partygesellschaft hatte meine Mutter gesehen. Am meisten haben sie aber zwei Ufos beeindruckt, von denen eines sich hinten über dem Wald blitzend um seine eigene Achse drehte und das andere sie bei der Rückfahrt vom Einkaufen unterbrach. Könnte auch ein und dasselbe gewesen sein, sahen sich sehr ähnlich, erzählt sie immer wieder und war jetzt ganz Ohr, weil endlich mal ich etwas mitzuteilen hatte. Endlich.

Na gut, ist noch ein bisschen mau, eine Frauengestalt im Halbschlaf zu sehen. Aber das wird schon, die Familientradition scheint sich auf mich zu übertragen, da bin ich mir ganz sicher.

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