Immer mehr Hilferufe in Völklingen

Völklingen. Gerhard Weber und seine Kollegin Beate Heinz haben alle Hände voll zu tun. Die beiden arbeiten als Schuldnerberater im Diakonischen Zentrum Völklingen. Dort haben im zu Ende gehenden Jahr 320 Menschen Rat gesucht, 100 mehr als im Vorjahr. 170 Anfragen mündeten in ein so genanntes Erstgespräch. Das klingt einfach. Ist es aber nicht

 Gerhard Weber ist Schuldnerberater in Völklingen. Foto: Becker & Bredel

Gerhard Weber ist Schuldnerberater in Völklingen. Foto: Becker & Bredel

Völklingen. Gerhard Weber und seine Kollegin Beate Heinz haben alle Hände voll zu tun. Die beiden arbeiten als Schuldnerberater im Diakonischen Zentrum Völklingen. Dort haben im zu Ende gehenden Jahr 320 Menschen Rat gesucht, 100 mehr als im Vorjahr. 170 Anfragen mündeten in ein so genanntes Erstgespräch.Das klingt einfach. Ist es aber nicht. "Wir brauchen erstmal Überblick", sagt Gerhard Weber. Mit welchen Summen stehen die Ratsuchenden bei wem in der Kreide? Wie viel Geld bekommen sie regelmäßig herein? Und welche Schulden zählen zu den "primären Dingen"?

Rückstände bei Miete, Wasser, Heizung müssen zuerst geregelt werden, sagt Weber, "denn da sind die Konsequenzen am härtesten". Danach wird alles Übrige sortiert.

Im wörtlichen Sinne, sagt Weber; oft tragen seine Klienten ihre Unterlagen per Tüte in die Sprechstunde. Überschuldung, erklärt der Fachmann, entstehe schleichend, ein Prozess über Jahre. Bis die Betroffenen irgendwann nicht mehr allein herausfänden aus dem Labyrinth von Verpflichtungen, den Überblick verlören über Rechnungen, Mahnungen, Briefe von Inkasso-Unternehmen. Dann sei der psychische Druck groß, bei bestimmten Mahn-Formen "ist das ja auch gewollt"; denn die Schuldner "müssen mit Maßnahmen rechnen", von der Pfändung über die Wohnungskündigung bis zur Stromabschaltung. "Sich damit auseinanderzusetzen, kostet sehr viel Kraft", sagt Weber.

Die Ursachen? Ganz unterschiedlich. Manche Klienten hatten es mit der Selbstständigkeit versucht. "Wenn man sich mit viel Engagement auf sowas einlässt, verdrängt man vielleicht auch, dass der wirtschaftliche Erfolg nicht da ist", sagt Weber. Tragisch: Mitunter nehme in schon auswegloser Lage noch die Familie Kredite auf. Am Anfang einer Überschuldung stehe oft auch eine Trennung oder Scheidung, eine Krankheit oder Sucht.

Häufigste Ursachen unüberwindbarer Schuldenberge seien aber Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit: plötzlich verringertes Einkommen, das nicht mehr reicht, um Kredite zu bedienen. Etwa für den Hauskauf.

Denkbar, meint Gerhard Weber, dass in solchen Fällen Kredite von vornherein zu hoch waren fürs Einkommen, "die Banken werden da ja oft kritisiert" - aber dazu könne er nichts sagen: "Wenn die Leute zu uns kommen, ist das schon nicht mehr nachvollziehbar."

Wichtigste Aufgabe der Berater, die eine Sozialarbeiter-Ausbildung mit Zusatzschulung in Finanzfragen haben: "Möglichkeiten aufzeigen, wie man da rauskommt", zum Beispiel mit einer Privat-Insolvenz. Es gilt, den Druck zu mindern, die Menschen wieder zu Atem zu kommen lassen. Dann folge der formelle Teil, neue Verträge, viele Gespräche: "Wir verhandeln mit bis zu 50 Gläubigern pro Fall, daher kostet die Beratung viel Zeit."

145 Fälle bearbeiten Weber und Beate Heinz im Moment. Und müssen neue Klienten erst einmal vertrösten: Die Wartezeit aufs Erstgespräch liegt bei drei bis vier Monaten. Zu lange, meint Weber: "Wir brauchen mehr Beratungskapazitäten" - das jedenfalls ist sein Neujahrswunsch.

Meinung

Gut angelegtes Geld

Von SZ-RedakteurinDoris Döpke

Zahlen sind beredt. Die gewaltig gestiegene Zahl der Anfragen bei der Völklinger Schuldnerberatung zeigt: Die Einrichtung ist notwendiger denn je; die Wirtschaftskrise schlägt auch auf private Haushalte durch. So ist der Wunsch, die Kapazitäten für die Schuldnerberatung zu erweitern, mehr als berechtigt. Auch wenn die Einrichtung dann mehr kostet.

Bei den Klienten, denen die Völklinger Berater bisher Wege aus dem Schuldenlabyrinth weisen, liegt das Kind schon im Brunnen. Ebenso wichtig wie diese Notfallhilfe ist aber Vorbeugung. Umgang mit Geld lässt sich lernen. Und wenn man sich vor der Unterschrift unter einen Kreditvertrag fachkundigen Rat holen könnte, ob man den Schulden auch in schlechten Zeiten gewachsen ist, so wäre das etwa für Häuslebauer nützlich. Investitionen an dieser Stelle sind bestens angelegtes Geld.

Auf einen Blick

Die Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werkes (DW) in Völklingen hat im Jahr 2010 vom Regionalverband Saarbrücken rund 59 000 Euro, vom Landes-Arbeitsministerium rund 36 000 Euro Förderung erhalten. Weitere 58 000 Euro stammen aus kirchlichen Eigenmitteln. Das teilte DW-Sprecher Helmut Paulus auf SZ-Anfrage mit.

Derzeit betreut das Beratungsteam 145 laufende Fälle. 2010 gab es etwa 320 Anfragen. 170 davon führten zu einem Erstgespräch - nach einer Wartezeit von etwa drei bis vier Monaten.

Die Beratung ist zu finden im Diakonischen Zentrum in der Gatterstraße 13. Geöffnet ist werktags von etwa 8.30 bis 16 Uhr. Terminvereinbarung unter Tel. (0 68 98) 91 47 6-0 (Sekretariat), -26 (Beate Heinz) oder -28 (Gerhard Weber). dd

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