Hilfe für jugendliche Flüchtlinge

Völklingen · Minderjährige Flüchtlinge, die sich ohne Begleitung von Erwachsenen bis ins Saarland durchgeschlagen haben, kommen nicht ins Lebacher Aufnahmelager, sondern erfahren eine besondere Fürsorge in sogenannten Clearinghäusern. Eines davon arbeitet auf dem Völklinger Heidstock.

 Helma Kuhn-Theis (Mitte), Bevollmächtigte des Saarlandes für Europaangelegenheiten, im Gespräch mit zwei Schützlingen des Clearinghauses für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Völklingen-Heidstock. Fotos: Becker&Bredel

Helma Kuhn-Theis (Mitte), Bevollmächtigte des Saarlandes für Europaangelegenheiten, im Gespräch mit zwei Schützlingen des Clearinghauses für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Völklingen-Heidstock. Fotos: Becker&Bredel

Was ist da passiert, wenn Flüchtlinge aus einem Flüchtlingshaus flüchten? Im Sommer sorgten in Merzig-Besseringen minderjährige Eritreer für Aufregung, als sie die zugewiesene Unterkunft verließen. Da es sich um ein adrettes ehemaliges Erholungsheim handelt, irritierte diese Abneigung sehr.

Strohhalm Handy

Inzwischen kennt man den Zusammenhang: Es war nicht so, dass den jugendlichen Flüchtlingen das Haus am Wald nicht gut genug war. Sie litten darunter, dass es keinen Handyempfang und keinen drahtlosen Internet-Zugang, keine Mails und kein Facebook gab. Der Kontakt untereinander und zu den Familien in der Heimat ist für die jungen Leute, die unbegleitet ihr Land verließen, unverzichtbar. "Sie müssen in Verbindung sein", so Pfarrer Udo Blank, Geschäftsführer des (evangelischen) Diakonischen Werkes an der Saar, das sich um diese Menschen kümmert. Inzwischen ist die Kommunikation technisch möglich, die Unterkunft wird gern angenommen.

Sie suchen "Allemagne"

Die Diakonie betreibt im Saarland zwei Auffanghäuser für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bis 17 Jahre, in Besseringen seit Juni 2014 und auf dem Völklinger Heidstock bereits seit September 2011. Insgesamt stehen 60 Plätze zur Verfügung. Meist werden die Heranwachsenden von der Bundespolizei an der Goldenen Bremm oder auf dem Saarbrücker Hauptbahnhof aufgegriffen. Vereinzelt sprechen die Flüchtlinge selbst vor und suchen nach "Allemagne". Insgesamt wurden bisher 690 Personen in Obhut genommen, meist Eritreer (denen Dienst in der Armee droht) und Afghanen. Nur zehn waren Mädchen. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt drei bis sechs Monate. Danach ziehen die jungen Leute in Wohngruppen oder stehen auf eigenen Füßen.

Man nennt die Auffangstellen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auch Clearinghäuser, weil hier Identität, Lebenslauf, Fluchtgeschichte, Gesundheit, Fähigkeiten und Perspektiven geklärt werden. Aufgrund der Anerkennung der UN-Kinderrechtskonvention durch die Bundesrepublik zum 1. Oktober 2010 stehen die aufgegriffenen minderjährigen Personen unter der Obhut der Jugendämter , woraus sich ein Recht auf Erziehung und Entwicklung ableiten lässt - weit mehr also als bloße Unterbringung in Asylheimen. Es gibt auch ein kleines Taschengeld - die Empfänger geben es meist für Handykarten aus.

Nach Schilderung der Diplom-Pädagogin Stefanie Grönitz, Leiterin des Hauses in Völklingen , kommen fast alle Jugendlichen krank, vor allem hautkrank, mit schlechten Zähnen und ohne Impfschutz im Saarland an. Manche sind erkennbar traumatisiert, andere weniger oder auch nicht.

Volker Bourgett, Leiter der Jugendhilfe beim Diakonischen Werk an der Saar, gibt zu bedenken, dass man es oft schwer habe, die einzelnen Menschen und ihre Motive zu verstehen, nicht nur wegen des Dutzends Sprachen, die man - über Dolmetscher - zu sprechen hat: "Es gibt viele Geheimnisse, die im Verborgenen bleiben." Das Clearinghaus schafft es also nicht, tatsächlich alles zu klären. So oder so, die Mitarbeiter kümmern sich um medizinische Behandlungen, Versorgung mit Kleidung und Hygieneartikeln, Sprachkurse sowie um Unterbringung, sie geben lebenspraktische Hilfe, organisieren Sport (Fußball, Basketball, Radfahren).

Dankbar und respektvoll

Wichtig ist dem Vernehmen nach, "Abhängen" zu vermeiden und den jungen Leuten stattdessen einen geregelten, strukturierten Alltag anzubieten. Seit letzter Woche besuchen sämtliche Jugendliche in Völklingen Förderklassen in Regelschulen, was als großartiger Erfolg gilt.

Andererseits sind die Verantwortlichen aber auch nicht so sehr überrascht: Die minderjährigen Flüchtlinge seien schließlich sehr motiviert. Sie sollten und wollten hier schnell "was werden", um die Daheimgebliebenen zu versorgen. Wie die Völklinger Mitarbeiter versicherten, zeigten sich die jungen Leute ihnen gegenüber sehr dankbar und respektvoll.

Ein Vermögen für die Schlepper

 Das Clearinghaus in Völklingen-Heidstock.

Das Clearinghaus in Völklingen-Heidstock.

 Stefanie Grönitz, die Leiterin des Clearinghauses.

Stefanie Grönitz, die Leiterin des Clearinghauses.

Bei einem Besuch von Helma Kuhn-Theis (CDU ), der Bevollmächtigten für Europaangelegenheiten der saarländischen Landesregierung, im Völklinger Clearinghaus berichteten zwei 17-jährige Eritreer, dass ihre Verwandten je 5000 Dollar für die Flucht - über Sahara, Lybien, Italien - bezahlt hätten und erwarteten, dass sie die Leistung irgendwann dank einer Ausbildung abbezahlten. Wenn es eines Tages "ruhig" in der Heimat werde, könnten sie sich eine Rückkehr vorstellen. Die Politikerin versprach, sich dafür einzusetzen, dass bei der Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen das Kindeswohl stets Vorrang haben müsse vor anderen, auch finanziellen Erwägungen.

Es dürfe etwa nicht geschehen, dass ein Heranwachsender seine Ausbildung abbrechen und in ein Asylhaus einziehen müsse, nur weil er 18 geworden sei und damit eigentlich unter das Ausländerrecht falle.

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