Völklinger Chefärzte im Gespräch „Transplantation ist der Goldstandard“

Völklingen · Derzeit wird in Deutsch­land intensiver denn je über Organspenden diskutiert. Auch in Kliniken – ein Gespräch mit zwei Völklinger Herz-Spezialisten.

 Sie leiten das Herzzentrum an den Völklinger SHG-Kliniken: die Chefärzte Cem Özbek (links) und Ralf Seipelt.

Sie leiten das Herzzentrum an den Völklinger SHG-Kliniken: die Chefärzte Cem Özbek (links) und Ralf Seipelt.

Foto: Oliver Dietze

Im Februar hat der Bundestag ein neues Gesetz verabschiedet, das in Kliniken die Voraussetzungen für Organspenden verbessern soll. So ist das Thema Organspende derzeit im Medizinbetrieb sehr präsent. Auch im Herzzentrum der Völklinger SHG-Kliniken, wie sich im Gespräch mit den Chefärzten Dr. Cem Özbek (Kardiologie und Angiologie) und Professor Dr. Ralf Seipelt (Herz- und Thoraxchirurgie) zeigt.

In rund 20 Zentren wird bundesweit transplantiert, „aber vier, fünf Zentren würden eigentlich ausreichen“, sagt Özbek. Das Transplantieren selbst sei gar nicht so kompliziert – sein Chirurgen-Kollege Seipelt nickt –, Bypass-Operationen seien im Grunde schwieriger. Aber es gehe ja nicht nur um die OP, sondern auch um die sonstige, durch die Immunsuppression sehr aufwendige, interdisziplinäre Betreuung von Transplantations-Patienten. Die könnten spezialisierte Zentren, die regelmäßig Herzen verpflanzen, am besten leisten.

Zumal die Zahl der OPs zurückgegangen sei. 253 Herzen seien 2017 in Deutschland verpflanzt worden, berichtet Seipelt, 20 Jahre zuvor noch mehr als 500. Das liege nicht nur an der – oft beklagten – geringen Spenden-Bereitschaft. Die Ärzte nennen weitere Gründe. Zum einen gestiegenes Durchschnittsalter. Zum anderen – „glücklicherweise“ – die gesunkene Zahl der Verkehrs-Opfer: Noch in den 1970er Jahren starben jährlich rund 20 000 Menschen auf den Straßen, heute sind es rund 3000 pro Jahr. Vorschriften, „die ich anfangs gehasst habe“, etwa die Gurtpflicht, seien nützlich für die Sicherheit, „manchmal muss man die Leute wohl zwingen“, sagt Özbek lächelnd.

Auf der anderen Seite zählen  Herzkrankheiten nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen. Und für schwerst Herzkranke, sagt Seipelt,  „ist eine Transplantation der Goldstandard“. Freilich wegen der kleinen Zahl von Spenderorganen oft unerreichbar, selbst für Patienten, die ganz oben auf der Dringlichkeitsliste stehen.

Für einige dieser Menschen hat die Medizin eine Alternative zu bieten, Seipelt zieht ein Gerät aus einem Karton: LVAD heißt es, die – original englischsprachige – Abkürzung bezeichnet ein „linksventrikuläres Herz-Unterstützungssystem“, landläufig „Kunstherz“ genannt. Es ist eine magnetisch gelagerte Pumpe, vielleicht fünf Zentimeter im Durchmesser; in den Körper eingepflanzt, übernimmt sie die Aufgabe der linken Herzkammer, den Körper mit Blut zu versorgen. Ein Kabel schaut freilich aus dem Brustkorb heraus: Die Pumpe braucht externe Batterien, „das lässt sich technisch leider noch nicht anders lösen“, sagt Seipelt. Aber damit könnten zuvor fast immobile Schwerstkranke wieder gehen, Treppen steigen, reisen – für die Patienten eine enorme Verbesserung der Lebensqualität.

Wie lange? Das sei sehr unterschiedlich, meinen die beiden Ärzte, ein paar Jahre gewiss. Wie lange kann man, so die Transplantation glückt, mit einem zweiten Herzen leben? „20 Jahre sind da gut möglich“, sagt Seipelt. Der Goldstandard eben. Aber mangels Spenderorgan nur für zu wenige verfügbar – LVADs hingegen wurden 2018 bundesweit rund 1000 Mal eingepflanzt, berichten die Ärzte. Und weil diese OP von recht vielen Kliniken gemacht werden könne, sei die Nachsorge da einfacher.

Was nicht heißt, dass Seipelt und Özbek die niedrige Zahl von Organspenden einfach so hinnehmen mögen. Entscheidungs- oder Widerspruchslösung (siehe Info), das sei freilich eine politische Frage, keine medizinische. „Persönlich könnte ich mit der Widerspruchslösung gut leben“, sagt Seipelt. Özbek nickt. Und ergänzt: Das Gesundheitssystem baue ja auf Solidarität auf, da dürfe man schon fordern, dass Menschen auch mal an den eigenen Tod denken, statt dieses Thema lebenslang zu verdrängen.

Aber mehr als Nachdenken – etwa beim Ausweis-Erneuern – möchte er niemandem abverlangen. Einen Zwang zur Spende dürfe es keinesfalls geben. Und Menschen nur unter der Bedingung ein Transplantat zu gewähren, dass sie selber spendenbereit sind, lehnt er rigoros ab: „Das geht nicht, das wäre unethisch.“

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