Wer jung ist, hat oft Unsinn im Sinn Herrlicher Unfug in den gelben Zellen

Aus dem Stadtbild sind sie verschwunden: die Telefonzellen der Deutschen Post. Die Erinnerungen an sie aber sind noch da. 

Wer jung ist, hat oft Unsinn im Sinn : Herrlicher Unfug in den gelben Zellen
Foto: SZ/Robby Lorenz

An die Adresse der jüngeren Generationen gerichtet, lief mir im Internet kürzlich folgender Spruch über den Weg: „Mieser Handy-Empfang? Die Welt bricht zusammen, ja? Wir kämpften damals in kaputten, vollgepinkelten  Telefonzellen mit halbem Hörer. Ihr Memmen!“

Ja, die gute alte gelbe Telefonzelle, sie war unbezahlbar. Bei der einen konnte man ziemlich sicher sein, dass die Münzen durchrasseln und man sich unverrichteter Dinge wieder trollte. Das waren dann die Durchfall-Telefonzellen. Bei anderen wiederum waren genau die Seiten aus dem ekelhaft versauten, abgegriffenen Telefonbuch herausgerissen, auf die es ankam.  Und dann erinnert man sich auch immer wieder gern an die mordlustigen  Blicke derjenigen, die vorm Häuschen warteten – besonders bei brüllender Hitze oder klirrender Kälte. Ihre aufgestaute Wut war nahezu greifbar, doch man konnte sie jetzt nicht erlösen von ihrer Pein, wo doch gerade ausgiebig pubertäre Probleme zu erörtern waren. 

Die gelben Zellen waren, wie eingangs schon geschildert, so gut wie immer versifft und von Abermillionen Mikroben besiedelt.  Man hatte den Eindruck, die Häuschen wurden schon im widerwärtigen  Zustand installiert, weil’s halt zum guten Ton der Deutschen Post gehörte.  Beim heute herrschenden Hygiene-Wahn würde man sie wohl im Ebola-Schutzanzug betreten und die kontaminierte Kleidung  durch eine Fachfirma entsorgen lassen. Wir Jugendlichen aber waren da schmerzfrei. Und haben uns regelmäßig ein Späßchen erlaubt. Vor allen Dingen meine beste Freundin   war sehr professionell unterwegs. Mit vielen Groschen bewaffnet, nisteten wir uns im gelben Gehäuse ein und wählten willkürlich ein paar Nummern aus. Um wildfremden Menschen am anderen Ende der Leitung zu verkünden, dass ein satter Lottogewinn auf sie wartet. Leichtgläubige Leute gibt es ja überall, und so brach beim angewählten Gegenüber nicht selten eine ungeahnte, heftige  Glückseligkeit aus, verbunden mit einem tausendfachen Dank fürs Überbringen der Botschaft. Ja, ja, so haben wir unsere Freizeit verbracht, uns ein ums andere Mal nach dem Auflegen des Hörers vor Lachen gekrümmt und ein schlechtes Gewissen erst gar nicht gehabt.

Wir waren nicht immer ein Quell der Freude für unsere Mitmenschen. Weil das Gehirn wohl noch nicht voll entwickelt war. Aber lustiger als ein Handy-Telefonat war es allemal.

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