Völklinger Tafel Helfen anstatt auf der Couch zu sitzen

Völklingen · Zweimal die Woche verteilt die Völklinger Tafel dank der Hilfe vieler Ehrenamtlicher Lebensmittel an Bedürftige. Ein Besuch.

 Die 84-jährige Tafel-Mitarbeiterin Lieselotte John aus Püttlingen (rechts) verteilt Brot, hier an Nagah Njem (links) und Tochter Nora.

Die 84-jährige Tafel-Mitarbeiterin Lieselotte John aus Püttlingen (rechts) verteilt Brot, hier an Nagah Njem (links) und Tochter Nora.

Foto: BeckerBredel

„Auf der Couch sitzen, Fernsehen kucken, ist das ein Leben?“: Helga Puhl gibt die Antwort augenzwinkernd selbst, bevor sie energisch ins Brötchen beißt: „Nein!“ Es ist kurz vor 16 Uhr, die 77-Jährige hat einen Augenblick zum Durchschnaufen.

 Der Völklinger Rolf Heckmann (65) koordiniert die Fahrer.

Der Völklinger Rolf Heckmann (65) koordiniert die Fahrer.

Foto: BeckerBredel

Über 50 Leuten hat die Ehrenamtliche der Völklinger Tafel heute immer wieder Äpfel, Salat, Blumenkohl und anderes Obst und Gemüse in die XXL-Plastiktaschen und Einkaufstrolleys gelegt, vorher das Ganze sortiert. Jetzt, nach der Stärkung im sonnigen Innenhof des Hauses der Diakonie, geht es ans Auf- und Wegräumen. Ein normaler Arbeitsablauf für die Völklinger Rentnerin, immer an den Öffnungstagen der Tafel in der Gatterstraße 13 dienstags und freitags, seit vier Jahren.

Sie verschwindet wieder im Anbau, in dem die Ausgabe war, die Kisten für den Transporter müssen fertig werden. Den fährt Rolf Heckmann, ein kräftiger Mann mit weißem T-Shirt und großem Kreuz an der Kette. Er koordiniert alle Fahrer. Um 6.30 Uhr hat sein Arbeitstag begonnen. 31 Geschäfte hat er mit dem 2,8-Tonner angefahren. Schwere Kisten ein- und bei der Tafel ausgeladen. Nun müssen die Reste weg, in den Wildpark und in die Müllverbrennungsanlage. „330 Kilo Abfall haben wir heute“, sagt der 65-jährige Rentner, wischt sich den Schweiß von der Stirn. Elf, zwölf Stunden macht er an einem Tafel-Tag, zweimal die Woche plus Sonderfahrten. Ehrenamtlich und im vierten Jahr. Sein Rücken tut oft weh. Doch das zählt nicht für den früheren Betriebsleiter einer KFZ-Handel- und Reparaturgesellschaft.

Rückblick: In Innenhof stehen und sitzen etwa eine Stunde zuvor zahlreiche Menschen jeden Alters und vieler Nationen. Es wird geredet, geduldig gewartet. Geschubse, Gedrängel? „Das gibt es hier nicht“, erklärt Franz-Reinhard Daschmann, der Leiter der Völklinger Tafel. Rempler seien ganz selten. „Wir haben hier unsere Regeln, die gelten für alle.“ Und dazu zählt insbesondere Rücksichtnahme, sagt der 65-Jährige.

Zu den Wartenden gehört eine 42-Jährige aus Völklingen. Warum sie zur Tafel geht? Sie holt kurz Luft: „Ich bin vielschichtig erkrankt, kann nicht mehr arbeiten, bin geschieden und Alleinversorgerin.“ Seit zwei, drei Jahren kommt sie. Syrerin Nagah Njem (49) und Tochter Nora (9) harren ebenfalls darauf, dass ihre Nummer aufgerufen wird. Auf das Angebot der Tafel angesprochen, lächeln beide: „Alles ist gut“, sagt die Mutter in gebrochenem Deutsch. Sie gehören zu den geschätzten 60 bis 70 Prozent Migranten, die bei der Tafel gemeldet sind. Auch Omar Yuosef ist syrischer Flüchtling, er war bereits in der Ausgabe. „Das reicht ungefähr für eine Woche“, sagt der 19-jährige Schüler. Mit Eiern, Gemüse, Joghurt, Brot, Schokolade und mehr sind seine Taschen gefüllt. „Es gibt viel Essen, das ist sehr gut hier, die Leute sind sehr freundlich“, lobt der junge Mann.

Ebenfalls noch recht jung, 23, ist ein Völklinger, der unerkannt bleiben möchte. „Krankheit und Armut“, bei ihm wie auch bei seiner Mutter, führen ihn seit eineinhalb Jahren zur Tafel. Hatte er Berühungsängste? „Nein. Das hier ist eine gute Option, das hat keine Rolle gespielt.“ Wie lange er das Angebot in Anspruch nehmen wird? Er schultert die prall gefüllten Taschen. „So lange ich darf“, sagt er. Und lobt die Freiwilligen der Tafel.

„Es ist nicht leicht, Ehrenamtler zu finden — aber es ist auch nicht einfach“, sagt Tafel-Leiter Daschmann, verweist auf die zum Teil schwere Arbeit. Er hat als Einziger hier einen Mini-Job. Er ist stolz auf sein „gutes, zuverlässiges Team“. Das besteht vor allem aus fitten Rentnern, mehrheitlich weiblich. So wie die 84-jährige Lieselotte John aus Püttlingen, die Brote und andere Backwaren verteilt: „Ich wollte was machen“, sagt sie. Nun kommt sie einmal die Woche, seit fünf Jahren, räumt, verteilt, hilft, schleppt Kisten. Warum? „Es macht Spaß.“ Und das ist auch die Motivation für Rolf Heckmann, das lässt ihn das schmerzende Kreuz gern ertragen: „Es macht mir Freude, den Menschen zu helfen.“

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