Völklinger Stadtarchivar veröffentlicht neues Buch über die Geschichte der Stadt Der Ludweiler Faustkeil als Startpunkt

VÖLKLINGEN · Michael Röhrigs Buch über die Geschichte Völklingens beginnt vor 400 000 Jahren, als der Ludweiler Faustkeil hergestellt wurde.

Die älteste Karte Völklingens, zeigt die Stadt im Jahr 1594.

Die älteste Karte Völklingens, zeigt die Stadt im Jahr 1594.

Foto: Landesarchiv

Angesichts von Kirchenschließungen und immer weniger Gottesdienstbesuchern hätte die Idee vielleicht auch heute noch Charme: Warum beten Protestanten und Katholiken nicht einfach im selben Gotteshaus? Es wäre in Völklingen nicht das erste Mal.

Die Martinskirche im Alten Brühl wurde ab 1684 von evangelischen und katholischen Christen genutzt. Erst als 1848 die neu erbaute Kirche St. Eligius eingeweiht wurde, verabschiedeten sich die Katholiken vom Alten Brühl. Wobei vereinbart wurde, dass die evangelischen Gläubigen ihre Gottesdienste während der anstehenden Reparatur der Martinskirche im neuen Domizil der Katholiken feiern dürfen.

Die Geschichte des sogenannten Simultaneums kann man in einem Buch nachlesen, das Völklingens Stadtarchivar Dr. Michael Röhrig (37) herausgegeben hat. „Königshof und Landgemeinde - Geschichte Völklingens von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“, heißt der fünfte Band der Stadtarchiv-Reihe „Fulcolingas“.

Aber wann beginnt eigentlich die Geschichte eines Ortes? 822 wurde Völklingen erstmals urkundlich erwähnt. Das Datum nahm die Stadt Völklingen im vorigen Jahr zum Anlass, ihr 1200-jähriges Jubiläum zu feiern. Michael Röhrig hingegen wählte als Startpunkt den ältesten archäologischen Fund in der Region.

Der Ludweiler Faustkeil wurde vor maximal 400 000 Jahre hergestellt. Einen so langen Zeitraum auf gut 300 Seiten zusammenzufassen, ist eine große Herausforderung. Da ist Mut zur Lücke gefragt. Für Michael Röhrig war von Beginn an klar: Es soll ein Sammelband werden.

Alleine konnte der Historiker das Überblickswerk nicht schreiben. Aus zeitlichen Gründen. Und weil er in vielen Gebieten – etwa in Archäologie oder Alter Geschichte – kein Experte ist. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im 19. und 20. Jahrhundert. Mit Thomas Martin, Constanze Höpken, Anne Katharina Farle, Wolfgang Haubrichs, Hans-Walter Herrmann, Joachim Conrad, Gabriele B. Clemens, Michael Sander und Hubert Kesternich konnte er namhafte Fachleute für das Projekt gewinnen.

„Bis wann brauchen Sie den Text?“, fragten die Autoren, als der Archivar im Sommer 2020 bei ihnen anklopfte. Bis zum runden Stadtjubiläum 2022, so die Vorgabe, sollte der Reader fertig sein. Der Herausgeber kümmerte sich um die Vorrecherche und das Lektorat.

Gemeinsam mit Michael Sander schrieb Röhrig einen Beitrag über die Jahre 1815 bis 1850 – eine Zeit, in der Völklingen unter preußischer Herrschaft stand. Dabei wertete er nicht nur eigene Quellen aus, online recherchierte er in den Archiven der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Ein Kapitel widmet sich den Anfängen des Eisenbahnbetriebs. Was viele nicht wissen: Schon vor dem Einsatz der Dampflokomotive rollten in der Region Kohlewagen über die Schiene. Sie wurden mit menschlicher Muskelkraft von sogenannten Schleppern gezogen, später setzte man auf Pferde.

Erschüttert war Röhrig, als er feststellte, dass die einfachen Leute im frühen 19. Jahrhundert oft in großer Armut lebten. Viele arbeiteten im Nebenerwerb als Bauern. Wenn die Ernte ausfiel, bangten sie um ihre Existenz. Schon damals gab es eine Schulpflicht, die der Bürgermeister im Auftrag der preußischen Regierung überwachte. „Es ist Erntezeit“, vermeldete der Verwaltungschef an den Landrat, wenn mal wieder viele Kinder nicht zum Unterricht erschienen. Das Kirchenwesen hat Röhrig ebenfalls unter die Lupe genommen.

Dabei stellte er fest, dass die anfangs erwähnte Kooperation der katholischen und der evangelischen Christen wohl doch keine so gute Idee war, das Simultaneum endete mit einem handfesten Streit. Schon bei der gemeinsamen Nutzung der Martinskirche gab es Ärger – wenn die Gläubigen einer Konfession mal wieder vor der Tür warten mussten, weil die andere Konfession das Gotteshaus länger belegte als vorgesehen.

Zum Eklat kam es, als die evangelischen Christen während der Sanierung der Martinskirche wie vereinbart in der neuen katholischen Kirche Gottesdienste feiern wollten. Die Katholiken waren empört, dass die Behörden den Andersgläubigen erlaubten, ihren Altar in der katholischen Kirche aufzustellen. Der erste evangelische Gottesdienst im Juli 1851 fand unter Polizeischutz statt.

Aus Protest feierten die Katholiken ihre Messen fortan nicht mehr in der neuen Kirche, sondern im Pfarrhaus oder in Großrosseln. Erst als sich die evangelischen Gläubigen nach knapp zwei Monaten wieder in ihre reparierte Martinskirche verabschiedeten, kehrten die Katholiken in ihr neues Domizil zurück.

Ausschnitt aus der Warndtkarte von 1640

Ausschnitt aus der Warndtkarte von 1640

Foto: Stadtarchiv Völklingen
 Karte des Dorfes Völklingen von 1825

Karte des Dorfes Völklingen von 1825

Foto: Stadtarchiv Völklingen
Völklingens Stadtarchivar Michael Röhrig

Völklingens Stadtarchivar Michael Röhrig

Foto: Thomas Annen

Das Buch „Königshof und Landgemeinde - Geschichte Völklingens von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts“,  herausgegegben von Michael Röhrig, ist im Conte Verlag erschienen und kostet 34 Euro. ISBN 978-3-95602-259-3

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