Geschichte erleben am Alten BrühlZähe Kämpfe ums Gelände

Völklingen. Erwartungsvolle Mienen am Mittwochabend im Sitzungssaal des Völklinger Rathauses: Der Stadtrats-Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt befasste sich mit einem Thema, das auf allgemeines Wohlwollen stieß, bei Stadtverordneten wie Zuhörern

Völklingen. Erwartungsvolle Mienen am Mittwochabend im Sitzungssaal des Völklinger Rathauses: Der Stadtrats-Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt befasste sich mit einem Thema, das auf allgemeines Wohlwollen stieß, bei Stadtverordneten wie Zuhörern. Es ging um Völklingens Geburtsstätte, die Fläche am Alten Brühl, wo frühmittelalterliche Baumeister einst die erste Kirche der Stadt errichteten - das Büro Agsta Umwelt stellte Pläne für die Gestaltung des historischen Ortes vor. Wichtigste Richtlinie dabei, so führte Oberbürgermeister Klaus Lorig ins Thema ein, "ist die finanzielle Situation". Im Klartext: Eine Einhausung der alten Mauerreste und Gräber, wie Lorig selbst sie 2001 (noch als OB-Kandidat) in die Diskussion gebracht hatte, kann sich die Stadt nicht leisten. Der Agsta-Entwurf verzichtet denn auch auf Präsentation der originalen Funde und zugehörige (teure) Schutzbauten. Dennoch soll sichtbar werden, wie die Martinskirche im Laufe der Jahrhunderte ihr Gesicht veränderte: Die Planer wollen die Gebäudegrenzen mit halbmeterhohen Mauern oberirdisch nachzeichnen, in verschiedenen Steinfarben, die unterschiedliche Bau-Phasen verdeutlichen. Steinplatten zeigen die Lage von Gräberfeldern an, ein Sarkophag soll - unter Panzerglas geschützt - neben der Kirchen-Apsis ausgestellt werden. Fuß- und Radwege erschließen die Fläche, ein vier Meter hoher Aussichtsturm gewährt von Osten her Überblick; ein Pavillon und Tafeln bieten Informationen. Der "wilde" Parkplatz nebenan soll befestigt und - wie das Martinskirchen-Gelände selbst - mit Grün gerahmt werden. Mittendrin ist ein Rondell für Martinsfeuer- und sonstige Veranstaltungszwecke vorgesehen.Die Kosten dafür, gut 280 000 Euro, seien "tragbar", sagte OB Lorig. Zustimmung aus dem Ausschuss: "Geschichte darf und muss auch was kosten dürfen", erklärte beispielsweise Franz-Josef Petry (CDU). Paul Ganster (Linke) gönnte sich einen genüsslichen Exkurs in die Vergangenheit, zu den mittelalterlichen Kaiserpfalzen: Eine davon habe in Völklingen gelegen, nahe der Martinskirche - was deren historische Bedeutung steigere. Naja, konterte Knut Duchêne (FDP) lächelnd, "das war höchstens eine Vergnügungspfalz". Doch auch er lobte die Pläne, sie seien gut fürs "Stadtmarketing". Ja, es gehe um Touristisches, ergänzte Lorig, nämlich um eine Aufwertung des Saarufers. Dafür hoffe er auch auf EU-Zuschüsse: "Wir wollen die Gestaltung an der Martinskirche hineinbekommen in das Projekt 'Blaues Band der Saar' ". Völklingen. Fast wäre das Martinskirchen-Gelände - Völklingens älteste Siedlungsstätte - einem Discountmarkt zum Opfer gefallen. Die Stadt hatte das Grundstück am Alten Brühl verkauft, ein Investor wollte dort für die Firma Lidl bauen. Ende 2000, kurz vor Beginn der Bauarbeiten, legte aber das Landesdenkmalamt sein Veto ein gegen die bereits genehmigten Pläne. Eine archäologische Notgrabung bewies die stadthistorische Bedeutung des Geländes. Nach hitzigen Bürger-Protesten kaufte die Stadt das Grundstück zurück, Lidl baute in den Saarwiesen. Das Denkmalamt ließ Kirchen-Überreste und Umfeld archäologisch erforschen. Die Grabungen, 2007 abgeschlossen, brachten ans Licht, dass die Ursprünge der Martinskirche zurückreichen bis ins 8. oder 9. Jahrhundert. Zudem gab es viele neue Einsichten über mittelalterliche Bestattungs-Bräuche. Ende 2007 wurde der historische Ort fachgerecht verfüllt. Eine Gestaltung für die Öffentlichkeit ließ jedoch auf sich warten, obwohl es bereits 2001 erste - anspruchsvolle - Vorschläge dafür gegeben hatte. dd

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