Fröhliche Jagd auf Spione

Völklingen. Gestern kurz nach zwölf Uhr stand dem Vöklinger Hausarzt Dr. Frank Morgenthal bereits der Schweiß auf der Stirn. Denn gestern operierte er nicht mit medizinischem Besteck, sondern mit schwerem Säbel

Völklingen. Gestern kurz nach zwölf Uhr stand dem Vöklinger Hausarzt Dr. Frank Morgenthal bereits der Schweiß auf der Stirn. Denn gestern operierte er nicht mit medizinischem Besteck, sondern mit schwerem Säbel. Als Feldwebel der Traditionsvereinigung Die Dreissiger befehligte er die Verteidigung der Stadt gegen einsickernde französische Spione und Saboteure - eine fröhliche Hetzjagd durch die Stadt, die sich bis zum Globus und der Wehrdener Brücke hinzog.Gegen 11.30 Uhr waren Morgenthals Männer in Uniformen der Kaiserzeit als Wache vor dem Alten Rathaus aufmarschiert. Gleichzeitig wurde drinnen kräftig standesamtlich getraut, und so empfing die Paare vor der Tür ein unerwartetes Spalier. "Ich fand das schön, obwohl die sicher nicht für uns gekommen sind", meinte Robert Bour (74) aus Farebersviller. Er hatte gerade in Völklingen seine Valentina ("sie kam aus Russland") geheiratet. Andrea Lorson aus Wadgassen wartete mit Mann, Kind und Blumenstrauß in der Hand vor der Tür auf "ihr" Brautpaar: "Ich bin schon überrascht. Man hat mir gesagt, das hat irgendwas mit Franzosen zu tun." Genaueres weiß Bernhard Petry (56), Diakon bei der benachbarten Pfarrgemeinde St. Eligius: "Es geht um die Schlacht auf den Spicherer Höhen." Und für Rentner Manfred Schu (75) ist ganz klar, "dass man die Menschen an die Vergangennheit erinnern sollte. Die meisten wissen das nicht mehr.""Wir sind die letzte Bastion Preußens", ruft derweil Feldwebel Morgenthal mit donnernder Stimme seinen Männern zu. Tatsächlich: Unter den Arkaden in der Rathausstraße, direkt vor Klaus Lorigs Wahlkampfbüro, machen sich verdächtige Gestalten breit. Frauen? Nein: Unter den Kopftüchern sieht man Bärte; unter den Röcken schauen Uniformhosen hervor. Die Mitglieder der Spicherer "Association d'histoire et mémoire" spielen ihren Part als Spione. Um sie sicher durch Völklingen zu führen, hat Dreissiger-Mitglied Luigi Stambene (44) die Seiten gewechselt. Die Truppe fliegt auf. Nach einer spektakulären Festnahme gönnt Feldwebel Morgenthal auch den Gefangenen eine Zigarettenpause.Irgendwie entwischen die Franzosen, die Jagd durch die Stadt geht weiter. Um 15 Uhr kommandiert Morgenthal im Globus-Kaufhaus: "Spione festnehmen! Feuerbereitschaft!" - und schwupp, wird ein Mann verhaftet, dem an der Schlüsseldienst-Theke ein französisches Wort entfahren ist. Die als Frauen verkleideten Franzosen verbergen sich anderswo: Kling und Stambene, höchst unmilitärisch mit Bordeaux und Baguette bewaffnet, ducken sich hinters Weinregal, prosten den Zuschauern fröhlich zu. Die erneute Festnahme folgt auf dem Fuße. "Abführen! Zum Obst!", bellt Morgenthal. Nur Constance Hoeffel, einzige Frau im Spicherer Grüppchen, wagt Widerstand: Drohend zielt sie mit ihrer Weinflasche auf eine Pickelhaube. Morgenthal hat wiederum Tröpfchen auf der Stirn. Er zückt die Feldwebelpfeife und ruft: "Zum Biergarten!" Und erntet Lob vom Herrn Oberst alias Uwe Maring: "Sehr vernünftig, das hier - geht doch!"

Auf einen BlickDas weitere Programm:Freitag, 30. Juli: 19 Uhr, Altes Rathaus, Empfang der Darsteller, Vorträge "Die Geburt eines Kaiserreiches" (Dr. Achim Kloppert) und "Prolog 1870" (Hendrik Kersten) Samstag, 31. Juli: ab 13 Uhr Feldlager am Hunerscharberg mit historischer Modenschau und Waffenvorführung, 16 und 18 Uhr "Beschießung Völklingens" Sonntag, 1. August: Fortsetzung des Feldlagers, 10 Uhr ökumenischer Feldgottesdienst, 15 und um 17 Uhr "Beschießung Völklingens" er

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