Ferienreise mit Hindernissen Flucht von der Monsterautobahn

Einen Ruf als hartgesottener Autofahrer muss man sich mühsam erarbeiten. Und stößt manchmal doch an seine Grenzen. Zum Beispiel auf einer neuen südfranzösischen Autobahn, die (zunächst) keine Ausfahrt hat.

Ferienreise mit Hindernissen: Flucht von der Monsterautobahn
Foto: SZ/Robby Lorenz

Ich hab’s geschafft! Ich sitze wieder am Schreibtisch. Die graue kunststoffüberzogene Arbeitsplatte mit Gebrauchs­spuren, das angefressene Mousepad, wie habe ich sie vermisst. Ich dachte, ich komme von dieser Monsterautobahn im Languedoc nie mehr runter. Müsse mein restliches Leben  zwischen Montpellier und Barcelona fahrend verbringen – immer hoch und runter. Ein Albtraum. Doch der Reihe nach: Ich wollte endlich mal wieder in diese herrliche Urlaubsgegend, Marseillan, Mèze, Béziers anschauen, Erinnerungen auffrischen, hatte ein Häuschen oberhalb von Montpellier in einem netten kleinen Ort gemietet. Um 17 Uhr, so signalisierten wir es der Vermieterin, könnten wir da sein. Da ahnten wir noch nicht, dass es für uns kein Entrinnen gibt, uns diese neue Autobahn nicht freigibt. Keine Chance abzuzweigen. Stattdessen fuhren wir und fuhren wir – an unserem Urlaubsort vorbei. Fast 50 Kilometer weiter schließlich, bei der großen Hafenstadt Sète, durften wir runter. Und ich schwöre, bis zum Ende des Urlaubs bin ich bestimmt an die 300 Kilometer zu viel gefahren wegen dieser vertrackten Route. Auch das (zugegeben etwas betagte) Navi kannte die Strecke nicht und war völlig verwirrt. Es meinte, es führe uns über Ackerland und Co.

Später erfuhren wir: Dieser neue Abschnitt der Autobahn 9 war gerade vor wenigen Wochen fertig gestellt worden. In Spitzenzeiten im Sommer sausen in der Region Montpellier an die 170 000 Autos täglich vorbei, eine der meistbefahrenen Autobahnen Frankreichs. Fünf Jahre Bauzeit – das größte französische Autobahnprojekt der letzten Jahre, Kosten 800 Millionen Euro. Der ab jetzt getrennt geführte Transit- und Ortsverkehr soll für die stark frequentierte Strecke von und nach Spanien eine erhebliche Entlastung bringen. Die sechsstreifig ausgebaute „neue A9“ dient dem Durchzugsverkehr, während die „alte A9“, die jetzt A709 heißt, als Stadtautobahn (führt außen parallel)  fungiert.

Wer es dann doch wie wir irgendwann geschafft hat, dieses Monster zu verlassen, wird auf weiteren Betonbändern durch den Süden katapultiert. Durch zerpflügte Landschaften, über Zubringer, Brücken, Schleifen, Kreisel gelangt der Tourist schließlich ans Ziel. Meine Freundin hat „ihr“ Südfrankreich nicht wieder erkannt. Ich in den alten Ortskernen schon. Nur auf die Monsterautobahn möchte ich nicht mehr auffahren müssen. Oder ein neues Navi muss her.

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