Er schreibt Horror-Drehbücher

Völklingen · Etwa 4000 Menschen arbeiten in den verschiedenen Völklinger Saarstahl-Betrieben. Was machen die dort eigentlich alle? Wie sind sie zu ihrem Stahl-Job gekommen? Und was tun sie in ihrem Alltag sonst noch? In unserer Serie „Menschen bei Saarstahl“ stellen wir in loser Folge Saarstahl-Mitarbeiter vor. Heute, zum Auftakt: Wolfgang Besse, Chef der Werkfeuerwehr.

 Am Schreibtisch feilt Wolfgang Besse an einem neuen Übungs-Szenario. Größere Ernstfälle gab es schon lange nicht mehr – darüber ist der Saarstahl-Feuerwehrchef froh. Schon bei der Planung von Produktionsanlagen schaut er auf die Sicherheit. Foto: Jenal

Am Schreibtisch feilt Wolfgang Besse an einem neuen Übungs-Szenario. Größere Ernstfälle gab es schon lange nicht mehr – darüber ist der Saarstahl-Feuerwehrchef froh. Schon bei der Planung von Produktionsanlagen schaut er auf die Sicherheit. Foto: Jenal

Foto: Jenal

Immer wieder, im Durchschnitt etwa zwei Mal monatlich, passieren auf dem Völklinger Werksgelände von Saarstahl gefährliche Zwischenfälle. Da brechen Feuer aus, Gasrohre explodieren, Wände stürzen ein, glühend heißer Stahl ergießt sich in die Hallen. Und niemand regt sich darüber auf, noch nicht einmal Wolfgang Besse, der Chef der Werkfeuerwehr.

Besse sitzt ruhig und entspannt in seinem Arbeitszimmer in der Feuerwehrwache, umgeben von Akten und Ordnern. Dies sei sein primärer Arbeitsplatz, und deshalb rät er dem Fotografen von einem spektakulären Foto im roten Feuerwehrauto ab. Hier, an diesem Schreibtisch, entwirft er die Horrorszenarien, die Brände, die Explosionen, die Rettungsaktionen , mit denen in rund 25 Übungen jährlich der Ernstfall durchgespielt wird. "Wenn uns jemand zu einer Übung ausrücken sieht, kann er sich gleich noch ein Stück sicherer fühlen", sagt Besse, "denn mit jeder Übung wächst unsere Leistungsfähigkeit." Zur Werkfeuerwehr Saarstahl Völklingen /Burbach gehören im Völklinger Werk 29 hauptberufliche und 42 nebenberufliche Feuerwehrleute, in Burbach ist das Verhältnis 13 zu 15. Im Einsatz sind zwölf bzw. fünf Fahrzeuge.

Wolfgang Besse ist 59 Jahre alt, verheiratet, der älteste der drei Söhne ist Feuerwehrmann in Saarbrücken. Er kam vor 40 Jahren zum Unternehmen, und von Anfang an interessierte sich der gelernte Maschinenschlosser für die Technik und die Organisation der Feuerwehr. "Bei der Bundeswehr hatte ich einen Ausbilder, der die Grundsätze der Brandbekämpfung immer wieder zuerst mal nachlesen musste, und ich dachte: Was macht der im Ernstfall?" Besse wollte es genau wissen, und so wurde er mit 22 Jahren nebenberufliches, mit 25 Jahren hauptberufliches Mitglied der Werkfeuerwehr Burbach. Ab 1988, nun in Völklingen tätig, absolvierte er zahlreiche Lehrgänge und wurde 2005 zum Wehrführer ernannt. In Sachen Nachwuchsbildung und betrieblicher Brandschutz ist der anerkannte Experte oft im ganzen Saarland unterwegs.

Nach seinen neuesten Ehrungen und Auszeichnungen befragt, muss Besse suchen, denn der entsprechende Ordner ist prall gefüllt. Das goldene Feuerwehr-Ehrenzeichen am Bande ist dabei, auch das Feuerwehr-Ehrenkreuz in Gold, aber Besse merkt gleich an, was ihn ganz besonders freut und stolz macht: "Wir hatten hier schon sehr lange keinen größeren Ernstfall mehr, die Sicherheit von Menschen und Anlagen wird ständig optimiert, aber damit sind wir nie fertig."

Gerade die unwahrscheinlichsten Zufälle müsse man immer im Auge behalten, denn "für den Laien ist es unvorstellbar, was so alles passieren kann, aber möglich ist alles", sagt Besse. Deshalb sieht er in der Prävention, also in der frühzeitigen Erkennung von Gefahrenherden und Minimierung von Risiken, eine ganz wichtige Aufgabe. "Wir sind schon bei der Planung von neuen Anlagen dabei." Denn im Ernstfall seien nicht nur Menschen und Material in Gefahr, sondern auch Arbeitsplätze, wenn die Produktion gestoppt werden muss.

Heute sei bei Bränden mehr nötig als "Schlauch ausrollen!" und "Wasser marsch!" Varianten der Personenrettung, Umweltschutz, Wahl der Löschmittel, taktisches Vorgehen - das alles sei schnell und parallel, aber nie hektisch zu entscheiden und umzusetzen. "Auch die Abflüsse hier neben der Saar müssen beachtet werden, damit hinterher die Fische nicht kieloben schwimmen."

Nur zu einer einzigen Übung rückt die Werkfeuerwehr mit Blaulicht und Martinshorn aus, nämlich zur Jahreshauptübung, die immer im Oktober vor geladenen Gästen stattfindet und der Besse gerade die letzten Schwierigkeiten ins Drehbuch schreibt. Was genau am 8. Oktober passieren wird, ist noch geheim. Nur so viel verrät der Wehrführer: Im Blasstahlwerk wird unter anderem durch eine Verpuffung flüssiger Stahl austreten, 1400 Grad heiß.

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