Ein richtiger Saarland-Krimi

Völklingen · Vater von fünf Töchtern. Acht Marathons gelaufen, 17 Bücher geschrieben. Am Donnerstagabend las der Autor Marcus Imbsweiler im Alten Völklinger Rathaus aus seinem jüngsten Roman. „55“ verwebt saarländische Zeitgeschichte mit persönlichen Schicksalen. Realität und Fiktion werden zum intelligent geschriebenen Krimi.

 Marcus Imbsweiler las im Völklinger Alten Rathaus aus seinem Kriminalroman „55“. Foto: Becker & Bredel

Marcus Imbsweiler las im Völklinger Alten Rathaus aus seinem Kriminalroman „55“. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

"Verräter! Separatisten! Franzosenfreunde!" Und: "Der Dicke muss weg!" So lauten die Parolen. 1955, zur Zeit des Abstimmungskampfes um das Saarstatut (siehe "Hintergrund") wird leidenschaftlich um die Zukunft des Saarlandes politisiert. Darüber entzweien sich Familien. Steine fliegen, Trillerpfeifen gellen, Schilder werden zu Waffen, bei Kundgebungen.

Hier beginnt das neue Buch des aus dem Saarland stammenden Autors Marcus Imbsweiler. Eigentlich früher, genau gesagt am 28. März 1954, als sich im damals nagelneuen (!) Ludwigsparkstadion die saarländische Nationalmannschaft vor 50 000 Zuschauern mit dem späteren Weltmeister Deutschland ein heißes Qualifizierungsspiel um die Teilnahme an der WM in Bern lieferte.

Geschickt verwebt der 48-jährige Autor historisch Überliefertes mit Fiktivem. Knorrige Typen treten auf an Schauplätzen wie Werkbank, Dorfkneipe, in großen Sälen, auf Marktplätzen. Wo und wann auch immer, überall im Saarland schlugen sich damals Ja- und Neinsager die Latten um die Ohren.

Zeitsprung! 2015, jetzt spalten die Griechenlandfrage und die Flüchtlingsproblematik Politik und Gesellschaft. Und der Schwarze Kurt liegt auf seiner Kellertreppe. Mausetot ist er! Natürlich gestorben? Oder hat etwa sein Erzfeind, der Rote Fred, oder dessen Enkelsohn mit Kurts unerwarteten Hinscheiden zu tun? Zumal Kurt und Fred nicht nur politisch über Jahrzehnte aneinander gerasselt sind, sondern auch in der Liebe um ein und diesselbe Frau gebuhlt haben, sogar in einer spektakulär beschriebenen Verfolgungsjagd mit Mopeds, eine Szene, die an den Kultfilm "Denn sie wissen nicht, was sie tun" mit James Dean erinnert.

Das alles, mit vielen Vor- und Rückblenden, wirkt intelligent, mit großem Sprachschatz geschrieben, spannend zu hören beziehungsweise zu lesen, geschichtlich wie psychologisch aufschlussreich.

Dazu die passende Musik

Autor Marcus Imbsweiler, mit bislang 17 Büchern meist im Heidelberger Raum (dort lebt er heute) erfolgreich, kann Krimi, kennt die Geschichte seiner Heimat, hat den rechten Blick, mehr oder weniger schräge Typen zu beschreiben. Dezent angedeutete Erotik kommt auch ins Spiel. Ein schön aufgemachter Heimatkrimi mit 248 Seiten, erschienen im Conteverlag. Das Buch kostet 13,90 Euro.

Passend zur Lesung hatten der Gitarrist Dietmar Kunzler und der Pianist Edgar Bach Musik der 50er Jahre jazzig arrangiert, unter anderem Caterina Valentes Schlager "Ganz Paris träumt von der Liebe", den damaligen Welthit "Autumn Leaves" und ein gekonntes Medley der Marseillaise, der deutschen Nationalhymne und des weniger bekannten Saarlandliedes "Ich rühm' dich, du freundliches Land an der Saar".

Zum Thema:

Hintergrund Beim Saarstatut ging es um die Frage, ob das nach dem Zweiten Weltkrieg eigenständig gewordene Saarland seinen europäischen Sonderstatus behalten sollte oder an die Bundesrepublik Deutschland angegliedert wird. Nach einem leidenschaftlich geführten Wahlkampf und einer Wahlbeteiligung von 97,5 Prozent entschieden sich 67,7 Prozent für die Rückgliederung an Deutschland. Die bis dato profranzösische Regierung unter Johannes "Joho" Hoffmann, von seinen Gegnern verächtlich mit dem Ruf "Der Dicke muss weg!" betitelt, trat zurück. et

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