Die Stadt ist für eine halbe Stunde quicklebendig

Völklingen · In Gaststätten und heimischen Wohnzimmern bereitet man sich vor auf den Rutsch ins neue Jahr. Und Punkt Zwölf geht es überall auf die Straßen. Und als dann der Nebel auftaucht, zieht man sich schnell wieder ins Warme zurück.

 Raketen überm Völklinger Alten Rathaus. Foto: Jenal

Raketen überm Völklinger Alten Rathaus. Foto: Jenal

Foto: Jenal

Nur noch drei Stunden sind es bis zum Jahreswechsel - und dennoch ist die Zeit des alten Jahres noch unendlich lang, als im Hardrock-Pub in der Gatterstraße in der Silvesternacht etwa ein Dutzend Männer bei Flaschenbier laute Musik von Billy Idol hören. Im hinteren Bereich stimmen das saarländische Rock-Urgestein Gerd Schneider und seine Bandkollegen die Instrumente für ihr letztes Konzert des Jahres. Als unter den Männern an der Theke das Gespräch auf Silvesterbräuche kommt, erzählt ein in Völklingen heimischer Kölner, der sich nur Jupp nennt, aus dem Rheinland: "In Kölle veräppelt man an Silvester die Apotheker." Also sei er durch die Völklinger Apotheken getingelt, stets mit dem Spruch: "Ich brauche dringend ein Medikament gegen Neujahrsmüdigkeit." Die Sachlichkeit und Nüchternheit seiner jeweiligen Gegenüber hat ihn, wie er berichtet, sowohl erheitert als auch enttäuscht.

Da sind es nur noch zwei Stunden. Das letzte Mahl des Jahres ist verzehrt, meist Würstchen mit Kartoffelsalat, oder Rippchen mit Kraut - so traditionell, wie man "Diner for One" und Ekel-Alfreds Klassiker um den Punsch im Fernseher sieht. "Zehn Uhr, jetzt füllt sich das Lokal normalerweise", sagt Inhaberin Ulli Urban in der Donnerquelle in der Hofstattstraße. Statt Billy-Idol legt die Thekenkraft als "DJ Anja" hier Schlager von Petry, Fischer und allerhand Ballermann-Hits mit dem alles bestimmenden Ufta-Takt auf. Kommt bei den Donnerquellengästen auch gut an. Schlag Elf krachen immer mehr Böller. Waren sie vorher nur sporadisch zu hören, kommt so langsam eine Regelmäßigkeit in das Knallen, Zischen und Pfeifen. Gerd Schneider und seine Rocker sind jetzt richtig in Fahrt - und dann ist es plötzlich so weit. Punkt Zwölf geht es überall auf die Straßen. Im Rock-Pub, in der Donnerquelle, in Wehrden, Fürstenhausen, Fenne, Luisenthal, Ludweiler, Lauterbach, in Großrosseln und seinen Ortsteilen strömen jetzt viele auf die Straßen. Und erleben vor allem in der Innenstadt, dass ungeduldige Frühstarter längst die Nacht zum Tag gemacht haben. Grelle Blitze, schwere Donnerschläge, knisterndes Krachen, pfeifendes Heulen. Für mehr als eine halbe Stunde ist Völklingen jetzt quicklebendig, um sich schon bald wieder zur Ruhe zu legen. Was bleibt, ist der nach verbranntem Schwarzpulver riechende Qualm, der in den ersten Stunden des neuen Jahres übergangslos vom Nebel überdeckt wird. Und jede Menge Böllerdreck, der den städtischen Mitarbeitern am Neujahrstag und in den Tagen danach viel Arbeit bereiten wird.

Wie im Flug ist die erste Stunde des neuen Jahres vergangen und wieder stimmen Schneider und Co die Gitarren. Dieses Mal für die erste Rock-Session des jungen Jahres, und irgendwie klingt alles genau so wie immer.

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