"Die Privatpatienten sitzen auf einer Bank mit allen anderen"

Völklingen. "Schwachsinn", "Blödsinn", "realitätsfern": So lauteten unisono die Kommentare niedergelassener Ärzte in Völklingen zu dem vorläufigen Gesetzentwurf der SPD, der Ärzte zwingen soll, Privatpatienten nicht zu bevorzugen (siehe "Auf einen Blick")

Völklingen. "Schwachsinn", "Blödsinn", "realitätsfern": So lauteten unisono die Kommentare niedergelassener Ärzte in Völklingen zu dem vorläufigen Gesetzentwurf der SPD, der Ärzte zwingen soll, Privatpatienten nicht zu bevorzugen (siehe "Auf einen Blick").Augenarzt Florian Sindlinger übernahm die Praxis in der Marktstraße vor fünf Jahren von seinem Vorgänger: "Hier werden keine Privatpatienten bevorzugt, alle werden gleich behandelt." Doch sei der Zulauf so groß, dass er Wartezeiten von drei Monaten habe, "Notfälle werden natürlich sofort behandelt". Der Orthopäde Dr. Björn Bersal, der sich in die Praxis von Dr. Gerd Lanzer in der Bismarckstraße eingekauft hat, sagt ebenfalls: "Ich mache keine Privatsprechstunde." Wenn ein Privatpatient, der in der Praxis gut bekannt sei, vorbeikomme, werde er aber "reingequetscht". Der Mediziner sieht das Problem eher im System. "Wir dürfen nicht über 780 Stunden pro Quartal arbeiten." Wer mehr habe, müsse damit rechnen, des Abrechnungsbetruges bezichtigt zu werden. "Ich muss also bewusst bremsen. Wir haben alle Angst, die Budgetierung zu überschreiten." Dabei, rechnet Bersal vor, rechne er als Orthopäde im Saarland 32 Euro pro Patient im Quartal ab, dazu eine "Röntgen-Flatrate von 7,50 Euro". Wenn dafür ein Patient mehrfach behandelt werden müsse, passiere es auch, dass er ein Röntgenbild für umgerechnet 80 Cent mache.

"Ich verteile Termine nach Dringlichkeit", sagt Allgemeinmediziner Markus Nenno, der seine Praxis in Fürstenhausen hat. Wenn ein Patient eine Ultraschalluntersuchung seines Bauches wünsche und keine Beschwerden habe, "kann der Termin schon mal fünf Tage dauern". Akute Fälle kämen sofort oder am nächsten Tag dran. Nenno macht "keine Unterschiede" bei seinen Patienten. Allerdings "rutscht ein Privatpatient mal schnell durch", denn sie finanzierten "unsere Praxis. Ausschließlich mit gesetzlich Versicherten könnten wir dicht machen." Zahnarzt Dr. Horst Klein hat seine Praxis in der Rathausstraße: "Schmerzpatienten werden vorgezogen, ansonsten ist die Vorlaufzeit 14 Tage." Verständnis hat er für Kollegen, die Privatpatienten vorziehen, denn auch die Kassenpatienten profitierten von den Privatpatienten. Freilich seien die dünn gesät in Völklingen, wie auch Florian Sindlinger bemerkt: "Knapp fünf Prozent meiner Patienten sind privat - am Bodensee, wo ich herkomme, sind es 20 Prozent." Dennoch sagt Klein: "Ich habe ein Wartezimmer." Der Allgemeinmediziner Thomas Müller praktiziert auf dem Heidstock: "Wir haben eine überalterte Gesellschaft, das Gesundheitssystem trägt dieser Verschiebung aber keine Rechnung.. Die Privatpatienten tragen dieses System, sonst wäre es nicht haltbar." Doch auch bei Müller sitzen, so sagt er, "die Privatpatienten auf einer Bank mit allen anderen Patienten" . Etwas anderes könne er sich als Hausarzt gar nicht leisten. Die Ärzte bekämen jetzt schon ein Drittel ihrer Arbeitszeit nicht bezahlt.

Auf einen Blick

Die SPD-Fraktion im Bundestag fordert bis zu 25 000 Euro Strafe für die Ärzte, wenn Kassenpatienten zu lange auf Termine warten müssten. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass die ärztliche Zulassung für maximal zwei Jahre entzogen werden soll. Die Praxen sollen durch Kontrollanrufe der Krankenkassen überprüft werden. Nach SPD-Auffassung sind Wartezeiten von mehr als fünf Werktagen für die Patienten unangemessen.

Nachheftigen Protesten gegen die Forderungen der SPD beschloss die Partei eine Änderung in ihrem Gesetzentwurf. "In den ersten zwei Jahren soll die Ärzteschaft auf Grundlage ihrer selbst entwickelten Sanktionen für eine rasche Terminvergabe sorgen", sagte Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion, in Berlin. "Erst wenn das nichts gebracht hat, soll der Gesetzgeber die Strafen bestimmen." af

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