Die Hüttenstadt wacht auf

Völklingen · Während Katzen auf der Jagd nach Mäusen durch die Hinterhöfe schleichen und Nachtfalter um die Laternen kreisen, schlafen die meisten Völklinger noch. Doch dann nimmt auch für sie der Tag seinen Lauf.

Völklingen träumt. Von besseren Zeiten, von einem neuen Job, vom Meer, von salzigen Fischen, vielleicht vom Handschlag mit Investoren. Und wer jetzt noch nicht schläft, schaut sich einen Film an, liest, arbeitet oder macht sich fertig für sein Bett.

Das haben sie dann schon wieder verlassen, die Boten der Zustellgesellschaft (ZG) Saar. Es ist 1.30 Uhr in der Nacht an einem Werktag, und das letzte Paket mit den Zeitungen dürfte an den Abladestellen in der Hüttenstadt deponiert sein. Die ersten Zusteller laden sie in ihre Autos und düsen durch die verschlafenen Straßen, die sie mit Nachtschwärmern, Partyheimkehrern und den Angestellten der Bäckereien teilen. Während andere sich noch einmal umdrehen und weiter träumen, gehen in der Backstube von Peter Speicher um zwei Uhr die Lichter an. Als erstes wird es Brot geben. Eine Stunde später laden die Fahrer der Schales GmbH ihre ersten Laibe in die vier Autos, die sie haben. Ihre Öfen glühen schon seit 19 Uhr durch die Nacht hindurch. Und jetzt machen sie sich auf den Weg zu Reform- und Kaufhäusern in der Umgebung. Auch zum Globus. Um 3.30 Uhr schließt ein Wachmann dort das Gebäude auf, Neonröhren blinken und beginnen zu leuchten und machen Licht für die ersten Lieferanten.

Für Kaffee zu früh

3.47 Uhr: Der erste Busfahrer erreicht den Bushof der Verkehrsbetriebe. Er packt seine Tasche und steigt in seinen Bus. Er schaut auf die Uhr - und um 3.57 Uhr fährt er los. Für ihn geht es heute nach Lauterbach. "Wer so früh anfangen muss, kommt keine Viertelstunde vorher, um noch einen Kaffee zu trinken", sagt Thorsten Gundacker von den VVB. Bis der erste Zug nach Völklingen kommt, dauert es noch ein bisschen. Um 4.41 Uhr bringt er Arbeiter und Angestellte und nimmt andere wieder mit. 4.30 Uhr: Die ersten Globus-Mitarbeiter füllen die Regale auf. In einigen Häusern klingeln Wecker und erinnern ihre Besitzer daran, dass noch nicht Sonntag ist. Die Männer und Frauen kochen sich Kaffee und waschen sich, und wenn sie an einem Artikel in der neuen Zeitung hängen geblieben sind, müssen sie sich dann doch noch beeilen: Um 5.45 Uhr ist Schichtwechsel bei Saarstahl, im Stahlwerk, Walzwerk und in der Saar-schmiede unten an der Saar. Sie sorgen für mehr Verkehr in der Stadt und kreuzen einen der letzten Zeitungsboten. "Bis sechs Uhr müssen die Zeitungen zugestellt sein", sagt Stefan Hümbert, Gebietsleiter für Völklingen und Köllertal bei der ZG Saar. Er ist zuständig für 200 Zusteller in seinem Bereich.

Dann kommt plötzlich Leben in die noch stille Stadt. Zwischen 6.20 und 6.45 fahren nacheinander sechs Züge in den Bahnhof - so viele wie sonst nie in 25 Minuten am ganzen Tag. Hinter vereinzelten Fenstern werden die Lichter angeknipst, die Bäckereien in der Stadt schließen ihre Türen auf, und Briefträger beginnen, ihre Tagespost zu sortieren. Die SHG-Kliniken wecken die ersten ihrer Patienten. Es ist sieben Uhr. Die Pfleger richten die Kopflehnen auf und bereiten alles für das Frühstück vor. Und der Globus füllt sich mit seinen Angestellten. Der Verkehr in den Straßen nimmt stark zu, Menschen steigen in ihr Auto und fahren zur Arbeit. Die Polizei startet allmählich mit ihrem fliegenden Schichtwechsel. Die Kollegen vom Nachtdienst erzählen sich, was sie in den Stunden zuvor erlebt haben. Währenddessen bekommen die ersten Patienten in den SHG-Kliniken das Tablett mit ihrem Frühstück an ihr Bett.

Auch das Neue Rathaus füllt sich langsam. Stadtsprecher Uwe Grieger verliert erste Gedanken an sein Tagesprogramm, während Hunderte von Schülern in ihre Klassen strömen und sich Formeln ansehen. Es ist acht Uhr, die ersten Operationen in der Klinik beginnen, und der Globus öffnet seine Tore. Manche Kunden warten schon, haben sich davor geduscht und die Zähne geputzt und ihren Einkaufzettel geschrieben. Gegen 8 Uhr erreicht die erste Abwasserspitze die Kläranlage von Völklingen . "Klar können wir sehen, wann die Stadt aufwacht", sagt Marianne Lehmann von der EVS Saar. Es ist der größte Anstieg am ganzen Tag.

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