Netflix gegen Fernsehen Der Netflix-Konflikt

Entgeisterte Kinderaugen, Verwirrung, Verzweiflung – die Sprösslinge meines Nachbarn haben neulich bei ihren Großeltern ihre erste Erfahrung mit einem herkömmlichen TV-Gerät gemacht. Und sie wollten nicht wahrhaben, dass man „Die Sendung mit der Maus“ nicht noch einmal ansehen kann, wenn sie vorbei ist. Von zu Hause kannten sie bis dato nur Streaming-Dienste wie Netflix. Dort können sie jede Kindersendung mit einem Knopfdruck zurückspulen und von vorne anschauen – so oft sie wollen.

Netflix gegen Fernsehen: Der Netflix-Konflikt
Foto: SZ/Robby Lorenz

Die neue Technik bietet Vorteile. Sie sorgt allerdings auch für Konfliktstoff. Beispielsweise zwischen meiner Freundin und mir. Immer wenn ich mal einen Abend nicht zu Hause bin, schaut sie heimlich die nächste Folge der Serie „House of Cards“, die wir uns eigentlich zusammen ansehen. Eine Form des digitalen Fremdgehens sozusagen. Das führt natürlich zu Problemen in der Abendgestaltung. Entweder muss ich eine Folge überspringen oder sie muss die heimlich gesehene Folge noch einmal schauen. Die Übeltäterin sieht das weitgehend entspannt. Ich könne die Folge ja einfach schauen, wenn sie mal nicht da ist. Bis dahin machen wir anderes, meint sie. Ich bewege mich hingegen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Was sollen wir bis dahin bloß tun? Müssen wir nun zurück in die analoge Welt reisen? Etwas Verrücktes tun, wie ein Buch zu lesen? Oder – schlimmer noch – ein Gespräch führen? Leben am Limit.

Um ihr den Ernst der Lage klar zu machen, hab ich einen Racheplan ausgeheckt. Im Frühjahr wollen wir gemeinsam in Urlaub fahren. Ich fahre aber schon eine Woche vorher. Sie kann ja alleine in die Normandie reisen, wenn ich mal nicht da bin. Und das Beste: Wenn sie dort ist und ich eine Woche allein zu Hause sitze, hab ich Zeit, alle Folgen von „House of Cards“ nachzuholen.

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