Der Macher geht, sein Werk bleibt

Geislautern · Ein Unruhiger auf dem Weg in den Ruhestand: Bernhard Hayo, Musiklehrer, Musiker, Chorleiter und vor allem Initiator des Geislauterner Streicherprojekts, nimmt heute Abschied von der Schlossparkschule.

 Frühjahr 2004, so fing es an: Geigenbaumeister Jürgen-Dietrich Krause, seine Frau Angela – ebenfalls Geigenbauerin – und Lehrer Bernhard Hayo (von links) zeigen den Kindern der Schlossparkschule, wie man Streichinstrumente korrekt hält. Archivfoto: Engel

Frühjahr 2004, so fing es an: Geigenbaumeister Jürgen-Dietrich Krause, seine Frau Angela – ebenfalls Geigenbauerin – und Lehrer Bernhard Hayo (von links) zeigen den Kindern der Schlossparkschule, wie man Streichinstrumente korrekt hält. Archivfoto: Engel

Morgens noch mal üben mit den Streicherkindern. Mittags hat er eingeladen zu einem kleinen Abschiedsfest. Dann ist für Bernhard Hayo die Schulzeit vorbei. Ebenso die Zeit im Warndt: Mit dem Ruhestand verbindet er einen Umzug nach Norddeutschland. Näher zu seinen Kindern, näher zu Emmi, der achtjährigen Enkelin. "Familie ist das Allerwichtigste", sagt Hayo.

Was erstaunlich klingt aus seinem Mund. Hat der rührige Musiklehrer doch über Jahre allerorten in der Region gewirbelt. Etliche Chöre hat er (mit)begründet und geleitet. Einen Verlag geführt, in dem er Chormusik herausgegeben hat - "der geht mit nach Norden", sagt Hayo, dafür spiele der Wohnsitz keine Rolle. Und er hat Schul-Aktivitäten eine Menge Öffentlichkeit verschafft. So gibt es, seit er an der Geislauterner Schlossparkschule arbeitet, regelmäßig Kindermusical-Aufführungen dort. Und vor allem gibt es das von Hayo initiierte Streicherprojekt, bei dem seit 2004 alle Kinder einer ersten Klasse Geige , Bratsche oder Cello lernen, mit Fortsetzung bis zum Ende ihrer Grundschulzeit. Hayo hat dem Projekt den griffigen Titel "Mit Geigen gegen Pisa" gegeben. Denn der gelernte Erziehungswissenschaftler weiß, dass Musizieren nebenbei Konzentration, Disziplin, Geduld, Gedächtnis trainiert und fördert. Und Zuhören, Aufmerksamkeit für andere, soziale Kompetenz; das zeigen Studien schon lange. Es war aber nicht die Theorie, die Hayo auf die Projekt-Idee brachte. Sondern die Erfahrung mit den Schülern: "Die Kinder wollen was, sie sind motiviert", sagt er. "Grundschüler sind grundsätzlich motiviert."

Zu ihnen kam er relativ spät. Zunächst unterrichtete er an Schulen, die noch von Klasse eins bis neun reichten. Ein paar Jahre war's auch eine Gesamtschule, begeistert berichtet er von den pädagogischen Förder-Konzepten der Anfänge. Doch dann folgte Ernüchterung: Die Förder-Extras seien nach und nach weggespart worden. Er bewarb sich 2000 an eine Grundschule - "das ist die wahre Gesamtschule", sagt er. Es wurde dann Geislautern .

Musiklehrer Hayo sang mit seinen Schülern. Spielte mit ihnen Blockflöte. Bekam durch seinen Sohn, der Geige lernte, mit, dass Streichinstrumente eine besonders kindertaugliche Eigenheit haben: Es gibt sie von winzig bis groß, sie wachsen quasi mit. Das war die Initialzündung für die Streicherprojekt-Idee. Im Frühjahr 2004 ging Hayo mit ihr an die Öffentlichkeit, warb für sie, gewann Sponsoren, damit Instrumente angeschafft werden konnten, sorgte für Instrumentallehrer, weckte das Interesse der Musikhochschule. Im Herbst kamen die ersten Streicherkinder. Und seither reißt der Strom der Interessierten nicht ab. Mittlerweile seien es zwei Abc-Schützen-Klassen statt nur einer, in denen (fast) alle Kinder streichen lernen, sagt Hayo. Und strahlt.

Damit auch die Kinder weiter musizieren können, die die Grundschule hinter sich haben, rief er 2008 das Junge Philharmonische Kammerorchester Warndt ins Leben. Dessen Leitung hat er im vorigen Herbst abgegeben. Ebenso wie die Leitung "seines" Chors in Karlsbrunn. Zeitig - ihm sei wichtig, beide Ensembles in guten Händen zu wissen, sagte er damals.

Damit das schulische Streicherprojekt nicht mit seinem Weggang zerbricht, hat er schon vor zwei, drei Jahren über eine Nachfolge-Regelung nachgedacht. Und jüngst nochmal kräftig drum gekämpft. Jetzt, erzählt er voller Freude, habe das Kultusministerium grünes Licht gegeben: Emanuele Frisardi, dem Projekt schon lange als Geigenlehrer verbunden, wird es künftig leiten.

Bernhard Hayo kann gelassen gen Norden ziehen: Seine Gründung, die älteste ihrer Art bundesweit, wird bleiben. Für den umtriebigen Mann öffnet sich ein neues Feld: Bücher schreiben - ein Roman ist schon fertig, der nächste konzipiert, ein Kinderbuch geplant.

Meinung:

Eine gewaltige Leistung

Von SZ-Redakteurin Doris Döpke

Wenn man etwas neu beginnt, dürfe man nicht zu viel drüber nachdenken, sagt Bernhard Hayo. Er jedenfalls sei stets mit beiden Füßen mitten hinein gesprungen. Motto: "Wo steht das Klavier, wo soll es hin?" Eine Macher-Devise, weit weg von Bedenkenträgerei. Und nur weil Hayo ihr gefolgt ist, konnte er erreichen, was er erreicht hat. "Sein" Geislauterner Streicherprojekt war, als er es 2004 auf die Beine stellte, das erste und einzige seiner Art in Deutschland. Dank Hayos Beharrlichkeit ist es ein dauernder Erfolg geworden, und es wird auch seinen Abschied überstehen.

 Konzentriert: Junge Cellisten des Warndt-Kammerorchesters. Mit diesem Ensemble wagte sich Bernhard Hayo 2013 sogar an eine Uraufführung. Archivfoto: Dietze

Konzentriert: Junge Cellisten des Warndt-Kammerorchesters. Mit diesem Ensemble wagte sich Bernhard Hayo 2013 sogar an eine Uraufführung. Archivfoto: Dietze

Das ist fast unglaublich, bedenkt man, unter welch widrigen Umständen das Projekt begann. Eine Gründung in der "Provinz" statt im mit Kultur gesättigten großstädtischen Raum. In einer Stadt ohne Musikschule, ohne finanziellen Spielraum für Förderung. Hayo hat sich darum nicht geschert. Und kann heute berichten, dass allein im aktuellen Instrumentenbestand Investitionen von 140 000 Euro stecken. Er sagt es stolz. Mit Recht: Für das, was er für seine Schüler, seine Schule und die Stadt geleistet hat, gebührt ihm höchste Anerkennung.

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