Zwangsarbeit bei Röchling „Das Thema ist nicht abgeschlossen“

Völklingen · Christian Reuther hat als früherer Stadtarchivar ausgiebig über die Röchlings geforscht. Nun präsentiert er sein 240-seitiges Buch mit dem Titel „Zwangsarbeit in Völklingen“.

 Christian Reuther.

Christian Reuther.

Foto: Karl-Heinz Schäffner

Katharina Trofimenko starb am 9. Juni 1944 im Russenlager I in Völklingen an Lungentuberkulose. Jeonid Gogol war im Völklinger Lager Ost I untergebracht. Im Juli 1944 tötete ihn eine Fliegerbombe. Sefkija Eminowitsch starb im September 1942, nach einem Betriebsunfall, im Hüttenkrankenhaus. Arbeitgeber der drei Personen waren die Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke (RESW). Die Namen der Verstorbenen stehen auf den Sammelgrabsteinen des Ausländergedenkfeldes auf dem Völklinger Waldfriedhof.

Historiker Christian Reuther (40) hat die 210 Inschriften im Anhang seiner neuen Publikation aufgeführt, ergänzt durch weitere Angaben aus verschiedenen Quellen. „Eine Erfassung der über 330 in Völklingen verstorbenen Ausländer hätte den Rahmen dieses Anhanges bei weitem gesprengt“, schreibt der Autor. „Zwangsarbeit in Völklingen. Eine Bestandsaufnahme“, heißt das Buch, das nun im Alten Rathaus Völklingen vorgestellt wurde. Das Werk beleuchtet die Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in der Stadt Völklingen. „Das Thema ist keineswegs abgeschlossen, es kann weiter geforscht werden“, sagte der Autor vor den rund 20 Zuhörern.

Im Mittelpunkt der Monografie stehen die Fragen nach dem Ausmaß des Zwangsarbeitereinsatzes, den Einsatzbereichen und dem dicht gewebten Netz an Unterkünften zur Unterbringung ausländischer Arbeiter. Außerdem untersucht Reuther die Organisation des Ausländereinsatzes bei der Stadtverwaltung und vor allem bei den Röchling’schen Eisen- und Stahlwerken. Thematisiert werden zudem Opferzahlen und Todesursachen sowie das Ende des Zwangsarbeitereinsatzes und die Spuren in der Nachkriegszeit. Eine Karte zeigt die Lage des Zwangsarbeiterlagers Am Schulzenfeld an der verlängerten Hofstattstraße, eine abgebildete Rechnung belegt eine Lebensmittellieferung zur Versorgung der französischen Kriegsgefangenen im städtischen Kriegsgefangenenlager. Alte Fotos zeigen das Acetylenwerk in Luisenthal und das im Betzen gelegene Kreidewerk.

Fast alle größeren Unternehmen setzten französische und russische Kriegsgefangene sowie italienische Militärinternierte ein.

„Der Ausländereinsatz bei den RESW spielte im Gesamtkontext der Völklinger Zwangsarbeit eine dominante Rolle. Mit ihren wenigstens 12 570 ausländischen Arbeitskräften, die sich vor allem aus französischen, italienischen und sowjetischen Staatsbürgern zusammensetzten, stellten sie das Gros der in Völklingen während des Zweiten Weltkriegs eingesetzten Arbeiter“, bilanziert der Autor.

Während seiner mehrjährigen Recherche saß Reuther an der Quelle. Rund fünf Jahre arbeitete er in Völklingen als Stadtarchivar. Seit März 2017 leitet er das Neunkircher Stadtarchiv. Das Buch verfügt über eine breite Quellenbasis. Der Autor hat Dokumente aus vielen Archiven gesichtet. Akribisch belegt der Autor seine Forschungsergebnisse, auf den etwa 240 Seiten sind 1657 Anmerkungen aufgelistet.

 Eine private Aufnahme aus dem Sommer 1943 vom Lager im Völklinger Schulzenfeld: Russische Zwangsarbeiter der Röchling‘schen Eisen- und Stahlwerke füllen vor dem Lagertor ihre Strohsäcke mit frischem Stroh. Die Sollbelegung dieses Lagers betrug 1420 Personen, darunter 772 Frauen.

Eine private Aufnahme aus dem Sommer 1943 vom Lager im Völklinger Schulzenfeld: Russische Zwangsarbeiter der Röchling‘schen Eisen- und Stahlwerke füllen vor dem Lagertor ihre Strohsäcke mit frischem Stroh. Die Sollbelegung dieses Lagers betrug 1420 Personen, darunter 772 Frauen.

Foto: Sammlung Hubert Kesternich

Der Band (ISBN 978-3-9819343-1-1) ist in der stadtgeschichtlichen Buchreihe „Fulcolingas“ des Stadtarchivs Völklingen erschienen und kostet 24,90 Euro. Das Buch gibt es bei der Volkshochschule im Alten Rathaus und im Stadtarchiv im Alten Bahnhof. In Kürze, erläuterte Fachdienstleiter Karl-Heinz Schäffner, könne man das Werk auch auf der Homepage des Stadtarchivs lesen (https://stadtarchiv.voelklingen.de).

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