Das Gedächtnis Völklingens

Völklingen · Alte Aufkleber von Bergbaugegnern, Broschüren und viele andere zeitgeschichtliche Dokumente finden nun ihren Platz im Völklinger Stadtarchiv. Zwei Vereine haben sich aus Mangel an Nachwuchs aufgelöst und die Dokumente übergeben.

 Stadtarchivar Christian Reuther zeigt seine Schätze. Archivfoto: Becker& Bredel

Stadtarchivar Christian Reuther zeigt seine Schätze. Archivfoto: Becker& Bredel

Allerhand Erinnerungen wurden im Alten Völklinger Bahnhof wach. Denn in den Räumen des Stadtarchivs übergaben der Arbeitskreis Heidstock der Bergschadensgemeinschaft Gemeindebezirk Völkingen und der Männerchor Flora von 1883 wichtige Vereinsdokumente und Erinnerungsstücke an den Archivleiter Christian Reuther. "Was hann die Enkelscher früher gestaunt, als die Oma uff die Demo is", erinnert sich Myriam Scheurer lachend.

Post für den Papst

Sie ging zur Jahrtausendwende gegen den Kohleabbau im Alsbachtal auf die Heidstocker Straßen. Ingenieur Ernst Potthast hält eine Broschüre hoch, in der er damals die Zukunft des Steinkohleabbaus an Saar und Ruhr in Frage gestellt hat. 500 Exemplare gab es davon, die meisten davon hat der Arbeitskreis an Personen geschickt, die er damals für wichtig hielt. "Eine haben wir auch an den Papst geschickt", so der Autor. Der habe zwar nicht geantwortet, dafür einige deutsche Bischhöfe. Und eine gewisse Angela Merkel, damals als Sprecherin der Bundes-CDU. "Damals hast Du Prügel von den Bergleuten bekommen, aber Lob von der Merkel", so fasst es der ehemalige Völklinger Bürgermeister Heinrich Schüssler knapp zusammen.

Der war auch als Präsident des Männergesangvereins Flora dabei. Sein damaliger Vorsitzender Hans Georg Stackmann begleitete ihn ins Archiv, sie haben auch die Vereinsfahne von 1888 und drei Dirigentenstäbe mit dabei. Allerhand Fotos berichten stumm von den Hochzeiten von Chor und Verein. Schüssler fasst in Worte, was darauf zu sehen ist: "Einst waren wir mit 89 Sängerinnen und Sängern zu Konzerten in Russland und Georgien." Inzwischen sei der einst von Seb Theis, Vater des einstigen Völklinger Bürgermeisters und Landtagsmitglied Sebastian Theis, gegründete Chor verstummt. Die Sänger sind in die Jahre gekommen, das Interesse der Jungen am Chorgesang hält sich in Grenzen. Zeit also, die Dokumente abzugeben.

Eigenständigkeit war gefährdet

 Oberbürgermeister Klaus Lorig (Mitte) und der Leiter des Stadtarchivs, Christian Reuther (links), nehmen die die Unterlagen von Mitgliedern des Arbeitskreises Heidstock der Bergschadensgemeinschaft und dem Männerchor Flora in Empfang. Foto: stadt völklingen/Grieger

Oberbürgermeister Klaus Lorig (Mitte) und der Leiter des Stadtarchivs, Christian Reuther (links), nehmen die die Unterlagen von Mitgliedern des Arbeitskreises Heidstock der Bergschadensgemeinschaft und dem Männerchor Flora in Empfang. Foto: stadt völklingen/Grieger

Foto: stadt völklingen/Grieger

Die einstige Demonstrantin Scheurer: "Wir müssen die Dinge ja dorthin bringen, wo sie gut aufbewahrt werden." Gut nur, dass der amtierende Oberbürgermeister Klaus Lorig , Zeuge der Dokumentenübergabe, sich zu Beginn seiner Amtszeit für den Erhalt des Stadtarchivs stark machte. "Es sollte damals in das Landesarchiv übergehen", erinnert er. Eine Veränderung stünde dennoch an: "Das Archiv wird nicht im Alten Bahnhof bleiben, es kommt dorthin, wo es hingehört: Ins Umfeld des Neuen Rathauses." Übrigens hatte Altbürgermeister Heinrich Schüssler noch die letzte Kommandantenmütze des Minensuchboots Völklingen mit dabei. Die hatte sich der Hobby-Segler einst für geschickte Manöver am Ruder des nach der saarländischen Mittelstadt benannten Kriegsschiffes verdient.

Öffnungszeiten/Sprechstunde des Stadtarchivs im alten Bahnhof: Freitag zehn bis elf Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung. Kontakt unter Telefonnummer (0 68 98)

13 24 32 oder per E-Mail

stadtarchiv@voelklingen.de.

In Ordnern übergaben der Arbeitskreis Heidstock der Bergschadensgemeinschaft und der Männerchor Flora vor kurzem ihre Dokumente. Darin werden sie nicht bleiben. Christian Reuther, der Chef des Stadtarchivs, wird sich demnächst Seite für Seite vornehmen und alle Metalle entfernen. Büro- und Heftklammern wird er entfernen, weil die auf Dauer schädlich für das Papier sind. Auch nach Klebestellen wird er suchen, denn auch viele Klebestreifen schaden dem Papier. Die Aufkleber der Bergbaugegner geben ihm zum Beispiel noch Rätsel auf: "Derzeit weiß ich noch nicht, wie ich damit umgehen soll." Vermutlich wird eine Fachfirma sie konservieren. Die Papierseiten steckt er dann in spezielle säurefreie Mappen jede Mappe bekommt einen Aufkleber mit einer systematisch erstellten Buchstaben-Zahlen-Kombination. Die Mappen sind alle gleich groß, je drei Stück passen jeweils übereinander in ein Regalfach. "Außerdem gibt es noch einige Kartenschränke", informiert der Archivar weiter. Die dürften nicht gefaltet werden, sollten nur ausgebreitet übereinander liegend gelagert werden. Entsprechend groß müssen die Schubladen sein. Was dann in die Regale und Schubladen kommt, verzeichnet Reuther im so genannten Findbuch. Auch die gestern übergebenen Relikte aus der Vereinsgeschichte: "Auch wenn wir die normalerweise nicht aufnehmen, weil aber das Museum des Heimatkundlichen Vereins Warndt keine Kapazität hat, machen wir eine Ausnahme, damit die Stücke nicht verloren gehen." Wer berechtigtes Interesse am Inhalt der archivierten Dokumente nachweisen kann, kann bestimmte Akten zur Einsicht bestellen, informiert Reuther. Er hat dabei darauf zu achten, dass Datenschutzbestimmungen und Archivschutzfristen eingehalten werden. Die allgemeine Archivschutzfrist betrage zum Beispiel 30 Jahre.

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