Brüssel sitzt mit am Tisch

Völklingen · Für die sechs städtischen Kindertagesstätten in Völklingen bedeutet es viel Aufwand, die Vorgaben der EU-Verordnung zu den Mahlzeiten in die Tat umzusetzen. Bisher hat es aber nur dicke Aktenordner gegeben, Probleme blieben aus.

Eltern , die morgens ihre Sprösslinge in der Kita Haydnstraße abliefern, können sich gleich im Eingangsbereich über die Frühstücksangebote der Woche informieren. In den handgeschriebenen Plänen sind jedem einzelnen Produkt auch Zutaten, Inhaltsstoffe, zugewiesen. Dem Schlüssel auf einem Extrablatt ist zu entnehmen, was die einzelnen Abkürzungen bedeuten. "h2" etwa ist ein Hinweis darauf, dass das Lebensmittel Haselnuss enthält, "g2" steht für Roggen. Der Kleinbuchstabe "g" heißt: enthält Milch - wie der Dip, den es am Donnerstag voriger Woche zum Kräcker gab.

Die Kürzel stammen aus einer EU-Verordnung mit verblüffender Durchschlagskraft. Die Regelung ist seit 13. Dezember 2014 in Kraft und als Schutz der Verbraucher vor versteckten Allergie-Auslösern gedacht. Und sie hat wegen des Mehraufwandes bei der Dokumentation von Inhaltsstoffen in vielen deutschen Städten unter anderem den Kita-Alltag auf den Kopf gestellt.

Sechs Kitas mit 680 Kindern

Sechs städtische Kindertageseinrichtungen unterhält die Stadt Völklingen mit in der Regel über 680 gemeldeten Kindern. "An allen sechs Kitas werden Mittagessen und auch Zwischenmahlzeiten in Form eines Nachtisches angeboten", informiert Jürgen Manz, Referent von Oberbürgermeister Klaus Lorig , auf SZ-Nachfrage. Bis auf eine Kita böten auch alle anderen zusätzlich ein Frühstück an. "Mehraufwand hat die neue Regelung schon gebracht", meint die zuständige Sachbearbeiterin im Völklinger Rathaus, Susanne Thull. Da sich alle Kita-Leiterinnen in regelmäßigen Abständen träfen, habe man sich auch zum Thema Umsetzung dieser EU-Verordnung zusammengesetzt und überlegt, wie man sie möglichst rationell in den Alltag einbinden könne.

Petra Blank, die Leiterin der Kita Haydnstraße, hat dicke Ordner in ihrem Büro liegen. Ein Blick zeigt, hier sind alle möglichen Erzeugnisse aufgelistet. Außerdem muss sie alle Wochen-Speisepläne des externen Caterers sammeln. Und es gibt Abbildungen von den Zwischenmahlzeiten, die die Kinder erhalten. Auch sie findet: "Es macht mehr Arbeit, aber wir haben den Rhythmus gefunden." Auf der anderen Seite sei das Konzept eine Art Versicherung für die Kita. 120 Kinder besuchen ihre Einrichtung, 100 essen auch täglich zu Mittag. Die Menüs (täglich zwei zur Auswahl) kommen von einem Caterer aus Dillingen, der sich auf Essen für Schul- und Kita-Kinder spezialisiert hat, nur biologische Zutaten verwendet und - selbstredend - Zusatzstoffe ausweist. Am Freitag standen etwa Spirellinudeln mit Schnittlauch-Erbsensoße und Salat auf dem Speisezettel, am Tag vorher Lachs mit Kartoffelauflauf. Beide Gerichte kamen ohne Zusatzstoffe aus. Das Frühstück stellt wöchentlich im Wechsel immer eine Kindergruppe zusammen. Die Abbildungen aller Produkte werden im Essbereich an einer Tafel platziert - mit Angabe der Zusatzstoffe. Backwaren kommen von einem Völklinger Bäcker, das Obst vom Bio-Großhandel.

Viel Vertrauen herrscht offensichtlich bei den Eltern . Es habe noch niemand nachgefragt, sagt Petra Blank. "Beim Aufnahmegespräch mit den Eltern wird an allen unseren Kitas nachgefragt, ob das aufzunehmende Kind an Allergien leidet", berichtet Jürgen Manz von der Stadt. Das werde dann auch im Aufnahmeheft dokumentiert.

Kuchenbasar nicht in Gefahr

Dem Engagement der Eltern stellen die neuen Regeln keine Hürden in den Weg. Gelten sie doch, wie die EU-Kommission betont, "nicht für den gelegentlichen Verkauf von Lebensmitteln durch Privatpersonen". Der Kuchenbasar für die Kita ist also nicht in Gefahr. Wie verfahren andere Städte mit der neuen Verordnung aus Brüssel? Saarbrücken mit allein 20 städtischen Kindertageseinrichtungen, besucht von rund 1800 Jungen und Mädchen im Krippen- bis Kindergartenalter, will beim gemeinsamen Frühstück bleiben, versichert Stadtsprecher Thomas Blug. Denn dieses Frühstück gehöre zum Standard.

Die Ruhrgebietsmetropole Dortmund stellt nach einer Übergangszeit das tägliche Frühstücksbüfett ein und wird diese Büfetts in der Regel nur noch vier Mal im Monat anbieten, wie die Stadt mitteilte.

Die Verwaltung der 186 000-Einwohner-Stadt Hagen in Nordrhein-Westfalen geht in ihren 23 Kitas nicht vom gesunden Frühstück ab, wie die "Westfalenpost" berichtet. Der Kompromiss: Die Erzieherinnen heften die Verpackungen an die Pinnwand, wo sie für Eltern gut zu sehen sind.

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