Sprayer aus Saarbrücken Im Scheinwerferlicht der Polizei

Völklingen · Bei Graffiti sind die Menschen im Regionalverband geteilter Meinung: Sind die Bilder sinnloses Geschmiere und Vandalismus – oder Ausdruck von Rebellion oder gar Kunst? Rolf hat mit 15 Jahren mit dem Sprühen angefangen. Mit seinen Bildern wollte er sich einen Namen in der Szene machen.

 Eines von Rolfs Graffiti befindet sich direkt an einer Wand an den Gleisen, wo es für alle Bahnreisenden sichtbar ist.

Eines von Rolfs Graffiti befindet sich direkt an einer Wand an den Gleisen, wo es für alle Bahnreisenden sichtbar ist.

Foto: privat

Ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei . Für manche Sprayer mag dieser Adrenalinkick, der Anreiz zum Sprühen sein. Züge, Dächer, Hauptstraßen: Graffiti befinden sich meist an Orten, wo sie von vielen Menschen gesehen werden können. Die Gefahr, erwischt zu werden, ist an diesen Orten groß. Bei Rolf war es der Drang, sich einen Namen zu machen, sich weiterzuentwickeln, „was zu werden“ in der Szene. Etwas zu schaffen, das andere als „krass“ bezeichnen, als Kunst hat er seine Bilder nie gesehen. Seinen richtigen Namen will der Saarbrücker nicht nennen.

„Eines Tages der King zu sein mit dem, was ich mache, das war mein Ziel“, erzählt Rolf. Der Begriff King, wie er ihn gebrauche, komme aus dem Graffiti-Jargon und meine einen Meister seines Fachs, jemanden, der von seiner Konkurrenz anerkannt und respektiert wird. Seinen Stil zu verbessern, war ihm immer wichtig. Seine Technik wurde von Jahr zu Jahr besser, die Striche feiner. Nur so falle man auf, und nur so könne man sich einen Namen machen, sagt Rolf.

Mit 15 Jahren zog der heute 33-Jährige zum ersten Mal nachts mit seinen Freunden los, um zu „malen“, wie er es nennt. Seitdem ist er nicht mehr davon losgekommen. Erwischt wurde er von der Polizei nur einmal, als er mit Freunden einen Zug bemalte. Als sie die Polizisten bemerkten, packten sie schnell ihre Sachen zusammen und flohen in eine kleine Holzhütte im naheliegenden Wald. „Die wussten nur, wer wir sind, da ich mein Auto in der Nähe des Bahnhofs geparkt und nicht abgeschlossen hatte“, erzählt er. Im Pkw fanden die Polizisten Papiere und Spraydosen. „Im anschließenden Gerichtsverfahren hat man uns aber nichts nachweisen können – im Zweifel für den Angeklagten“, sagt Rolf schmunzelnd.

Ein anderes Mal sprühten er und seine Freunde auf dem Dach eines leer stehenden Industriegebäudes, als Polizeiautos den Eingang versperrten und Scheinwerfer Richtung Dach ausrichteten. Rolf entkam über einen Stacheldrahtzaun auf der Rückseite des Gebäudes. „Es kam auch schon vor, dass plötzlich eine ältere Frau im Nachthemd neben uns stand, während wir sprühten, oder ein Freund von mir ein Auto nicht kommen hörte, das dann hinter ihm an der Ampel hielt“, erzählt er. Solche Erlebnisse prallten nicht einfach an einem ab, sagt der große, breite Mann nachdenklich, zeitweise habe er unter Verfolgungswahn gelitten. Beim Autofahren habe er überprüft, wer hinter ihm fährt. Beim Telefonieren habe er Angst gehabt, abgehört zu werden. Aber ein schlechtes Gewissen habe er nie gehabt.

Und nicht immer sehen die betroffenen Personen die Bilder als bloßes Geschmiere: „Zu zweit haben wir vor einigen Jahren mal einen Kirmeswagen in St. Ingbert bemalt, der bis heute fast jedes Jahr auf dem Marktplatz steht. Der Besitzer hat nur die Tags übermalt, die Bilder an sich haben ihm wohl gefallen“, erinnert sich Rolf lachend.

Graffiti in Galerien auszustellen, Geld mit den Bildern zu machen, die ursprünglich Rebellion ausdrücken sollten, davon hält Rolf nichts. „Die meisten, die mit ihren Graffitis Geld verdienen, sind gefällig, malen Bilder, von denen sie wissen, dass sie gekauft werden“, sagt er. Die hätten vergessen, was sie mal dazu bewegt habe, mit dem Sprühen anzufangen: „Fuck the system, eure Regeln, euer Geld!“ Bei Graffiti gehe es nicht darum, dass man dafür außerhalb der Szene Komplimente oder eben Geld erhalte.

Mittlerweile malt er nur noch selten und wenn, dann legal. Mit dem illegalen Malen habe er aufgehört, als das Risiko, erwischt zu werden, immer weniger im Verhältnis zu dem persönlichen Nutzen stand: „Ich bin jetzt jemand. In Bezug auf Graffiti muss ich niemandem mehr etwas beweisen.“

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