Völklingen Ein grüner Sessel zur Völkerverständigung
Völklingen · Zehn Völklingerinnen und Völklinger verschiedener Herkunft erzählten ihre Geschichte. Die Arbeiterwohlfahrt veröffentlichte sie.
Ein Heft, 43 Seiten und zehn Menschen, die ihren Weg nach Völklingen erzählen. Das ist das Ergebnis des „Nachmittagstees auf dem grünen Sessel“. Das Projekt hatte die Arbeiterwohlfahrt (Awo) im April 2018 in Wehrden gestartet. Ziel: die Einwohner, vor allem ältere Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit anzubieten, sich sozial zu engagieren. Nebenbei erzählten sie ihre Lebenswege. Diese wurden notiert und nun zusammengefasst.
Im grünen Sessel konnte man Platz nehmen und zurückblicken, sich erinnern und den anderen vom eigenen Weg berichten. „Die Menschen brachten Briefe, Dokumente, Erinnerungsstücke mit und ließen andere teilhaben. Wir sind sehr froh, dass wir zehn Menschen – mit den unterschiedlichsten Geschichten – für uns gewinnen konnten“, sagt Sennur Agirbasli, die Quartiersmanagerin.
Im Alten Rathaus kamen natürlich die Beteiligten zu Wort. Grazyna Gerlich erzählte: „Ich hielt immer einen gewissen Abstand zu Frauen mit Kopftuch und habe vieles nicht verstanden. Ich habe gelernt, dass diese Frauen genauso sind wie wir. Man muss die Menschen persönlich kennenlernen, um urteilen zu können. Dann ist es egal, welche Religion oder Nationalität jemand hat.“
Auch Edgar Flick ist in Völklingen geboren, er berichtet: „Ich habe hier liebe Menschen kennengelernt und bin froh, am Projekt teilgenommen zu haben.“ Maria Nickel bringt für ihre Geschichte die Lehrbriefe und Bescheide ihres Vaters aus der Kriegszeit mit. Durch das Gespräch bemerken sie und Grazyna Gerlich, dass ihre Eltern sich beinahe begegnet sind. Als Nickels Vater im Zweiten Weltkrieg durch Polen marschierte, saß Gerlichs Mutter angsterfüllt im Haus. Heute sind die Töchter befreundet. Sie seien froh, dass sie sich kennengelernt haben, erzählen die beiden Frauen.
Neruz Darwish stammt aus Syrien, sie hat dank des Projekts ihre Deutschkenntnisse verbessert. Nun traut sie sich sogar, vor anderen deutsch zu sprechen. Das Quartiersprojekt eröffnete ihr Möglichkeiten, in Völklingen wirklich anzukommen. Davon berichtet sie. Der Vater Busfahrer, der Mann ein Landwirt, der Familie ging es gut. Sie hatten Immobilien und vermieteten Wohnungen, bis der Krieg kam und sie alles zurückließen. Heute leben ihre Geschwister in Europa verteilt, die Kinder erlernen Berufe, die Familie hat einen neuen Lebensmittelpunkt. „Und alle leben in Frieden“, was das Wichtigste sei. Neruz dankt Gott und den Menschen, die sie aufgenommen haben, unter anderen im jetzt vorgelegten Heft.
Während des Projektes haben sich Menschen kennengelernt, Freundschaften geschlossen. Das wird immer wieder offenbar. Das Projekt der Awo soll nicht das Ende sein, es werden bereits Ideen gesammelt. Carmelo Vitello, Maria Nickel, Tuntul Öner, Franz Josef Petry, Grazyna Gerlich, Neruz Darwish, Hikmet Özkara, Mathilde Magarethe Therese Kraut, Salima Titi und Edgar Flick sind die Autoren. Ihre Geschichten vermitteln den Wert des Friedens, der Freiheit und Freundschaft direkt aus dem Völklinger Alltag.
Oberbürgermeisterin Christiane Blatt sagte: „Die Awo ist ein langjähriger Partner, auf den man sich verlassen kann.“ Und sie würdigte den Mut der zehn Beteiligten, ihre Geschichte vorzustellen, was eine Bereicherung für Völklingen sei. Jürgen Nieser, Landesgeschäftsführer der Awo, erklärte im Alten Rathaus: „Unser Projekt strahlt Zuversicht und Lebensfreude aus, und davon lebt diese Stadt. Wir als Awo sind sehr stolz auf dieses Projekt und froh über den Zusammenhalt und die Solidarität, die hier entstanden ist.“ So seien Menschen verschiedener Herkunft und einheimische Völklinger zusammengeführt worden. „Das hier ist ein Stück gedruckte Lebensfreude, die mit unserer Broschüre entstand“, so Nieser.
Auch der Awo-Kreisvorsitzende Jürgen Heermann zeigte sich begeistert vom Engagement im Quartiersbüro.