Mit der Taschenlampe nachts durchs Weltkulturerbe Auf dunklen Wegen vorbei an Gleisen

Völklingen · „Nimm immer den spannendsten Weg“, lautet das Kredo von Hendrik Kersten, Völklinger Mythenjäger und Projektleiter der Völklinger Hütte. Seine Taschenlampenführungen über das Hüttengelände sind längst kein Geheimtipp mehr.

 Auf Taschenlampentour: Hendrik Kersten (mit Fackel) fesselt sein Publikum mit spannenden Details über die Völklinger Hütte.

Auf Taschenlampentour: Hendrik Kersten (mit Fackel) fesselt sein Publikum mit spannenden Details über die Völklinger Hütte.

Foto: Thomas Seeber

Für einen Mythenjäger gibt es auf die Frage, welchen von zwei alternativen Wege er nehmen soll, nur eine Antwort. „Nimm immer den spannendsten“, ist dann auch der Leitsatz von Hendrik Kersten, dem Ober-Mythenjäger in Völklingen und gefragte Führungsperson im Weltkulturerbe Völklinger Hütte (die Mythenjäger sind eine Arbeitsgruppe der VHS Völklingen, die historisch interessantes Material aufarbeitet). Das Industriedenkmal jedenfalls behauptet in seinem Werbespruch von sich, „ einer der spannendsten Orte der Welt“ zu sein und ist somit ein Paradies für Mythenjäger Kersten, der ab und an auch mit Besuchern die alten Hüttenanlage durchstreift. Zum Beispiel mit Taschenlampen und Fackeln bewehrt, nachdem die Dunkelheit  hereingebrochen ist. Und wie sich schon am Eingangstor zeigt, grassiert das Abenteuerfieber des Mythenjägers.  Weit mehr als 100 Neugierige interessieren sich für die spannende Führung. Während sich die älteren Teilnehmer lieber hinten einreihen, preschen die Jüngsten vorneweg. Fynn, Max und wie sie alle heißen, die Buben kleben Anführer Kersten auf den Fersen.

„Den Hauptweg nehmen wir heute nicht“, sagt der. Also geht es über den schmalen und dunklen Weg an den Erz- und Kohlegleisen vorbei. Auch wenn das die Besuchergruppe zu einem schier endlosen leuchtenden Lindwurm auseinander zieht. „Schaut Euch das an“, deutet und leuchtet der Anführer in die Dunkelheit hinein. Die Natur hat in den einstigen Rohstoffspeichern Wurzeln geschlagen und treibt jetzt Bäume an den Gleisen vorbei. „An manchen Stellen stört das, hier darf die Natur wachsen“, so Hendrik. Weiter zum blau ausgeleuchteten Schräg-Aufzug, der die Rohstoffe einst auf die Hochofenplattform transportiert hat. „In Hängebahnwagen, nicht zu verwechseln mit Loren, die auf Schienen fahren“, merkt einer der beiden Führungshelfer an.

Kersten kündigt dramatisch an: „Wir gehen heute durch den Bauch des rostigen Monsters.“ Links die unteren Teile der Hochöfen, rechts allerhand Stahlstelzen, Rohre, Leitungen. Wozu alle Teile gehören, vermag niemand mehr zu sagen – zumal manches Ding auf keinem Bauplan mehr zu finden ist. Kersten weiß: „Die Hütte wurde ja immer umgebaut, zuerst war es nur ein Hochofen, in der Spitzenzeit waren es sieben Öfen, zum Ende sechs, mal wurde was hinzu gebaut, was nicht störte, wurde nicht zurück gebaut.“ Und siehe da: Bei Nacht offenbart das rostige Monster sogar romantische Seiten: Wer steil nach oben blickt, entdeckt bei sternenklarer Nacht zwischen Schloten und Hochöfen allerhand Sterne.

Weiter geht’s bis hinten zur Erzhalle. „Hier hatten die Wilden Kerle beim Filmdreh ihr Basislager“, verrät Kersten den staunenden Jungs. Auch wenn das ziemlich genau zehn Jahre her ist: Die „Wilden Kerle“ und ihr Fußballkrimi gegen die Vampire – unvergessen. Unter dem Gebäude der Sinteranlage geht es wieder zurück, und alle paar Meter warten spannende Überraschungen. Der verrückte Plan ein Hüttenschwimmbad zu bauen – nur eine fantastische Studie. Oder? „Manchmal, wenn die Saar Hochwasser führte, stand das Wasser hier wirklich kniehoch und höher“, weiß Kersten. Schutz sollte ein Schott-Tor bieten, das, von Stahlstelzen gestützt, über der Besuchergruppe schwebt.

Wie im Flug vergeht die Zeit, und einmal mehr hat Kersten auch denen, die schon oft dabei waren, bewiesen, wie spannend die Völklinger Hütte noch ist. Dann sind auch die Fackeln nach knapp einer Stunde schon so weit abgebrannt, dass die Tour zum Ende kommen muss.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort