Zählkrimi bei Völklinger OB-Wahl Als hätte Hitchcock Regie geführt

Völklingen · Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Völklinger Oberbürgermeister-Stichwahl – die Stimmen-Auszählung zerrte an manchem Nervenkostüm.

 Spannung pur: Gebannt blicken die Zuschauer zur Leinwand mit den aktuellen Ergebniszahlen.

Spannung pur: Gebannt blicken die Zuschauer zur Leinwand mit den aktuellen Ergebniszahlen.

Foto: Thomas Seeber

Eine solche Spannung hat der noch recht frisch renovierte große Sitzungssaal im Neuen Rathauses noch nicht erlebt. Es geht um nicht weniger als darum, wer in den kommenden Jahren in eben diesem Rathaus das Sagen haben wird.  Und bei der entscheidenden Stichwahl liefern sich Sozialdemokratin Christiane Blatt und der parteilose Stephan Tautz  ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Erstaunlich viele Beobachter sind dabei, die diesen Thriller, den Altmeister Hitchcock nicht fesselnder hätte inszenieren können, verfolgen. Wie gebannt starren sie auf die beiden Säulen im Diagramm. Mal ist die rote Säule größer. Nicht viel. Dann wieder die blaue. Mal Blatt, mal Tautz – und umgekehrt. Manchmal sind die Unterschiede  auch richtig groß. Dann, wenn Stadtpressesprecher Uwe Grieger per Mausklick Ergebnisse aus den Stadtteilen abruft. Klar: In Ludweiler schießt Blatt  fast durch die Decke; ebenso verhält es sich bei Tautz und seinem Heimatstadtteil Wehrden.

Im Sitzungssaal des Rathauses sind die Sozialdemokraten in der Unterzahl, wie sich aus den Gefallensbekundungen erkennen lässt. Den meisten Applaus, den größten Jubel gibt es, wenn Tautz vorne liegt. Und sei es auch nur hauchdünn. Bewahrheitet sich, was der Parteilose zuletzt für sich proklamiert hatte: „Meine Partei sind die Bürger“?

So manchem erfahrenen Genossen wird die Spannung zu groß. „Das wird mir alles zu viel, ich muss hier raus, das halte ich nicht aus“, sagt eine treue Weggefährtin Blatts. Andere versuchen, sich einen Wissensvorsprung zu verschaffen. Einige stöbern selbst mit ihrem Handy auf den Wahlergebnisseiten im Internet. Wieder andere spekulieren in der Diskussion mit Mit-Zuschauern. „Welche Stimmbezirke sind noch offen?“ – „Wer könnte da die Nase vorn haben? Und wenn, mit welchem Vorsprung?“ SPD-Stadtratsmitglied Wolfried Willeke betritt den Saal, sein erster Blick sucht sofort die Leinwand. „Oh, so knapp“, lautet sein erster Kommentar. Als Auszähler der Briefwahl ist er anderen einen Schritt voraus. „Briefwahl Heidstock ging an Blatt. Knapp. Auf der Anzeige da vorne ist das noch nicht drin“, informiert er Umstehende. Die Ludweiler Briefwahl fehlt auch noch. „Die hatten aber auch viel zu zählen“, hat Willeke beobachtet.

Wahlamtsleiterin Simone Haselmann kommt immer wieder rein. Wechselt ein paar Worte mit Grieger. Wie im großen Fußball heute üblich, deckt sie die Lippen mit einer Hand ab, während sie spricht. Niemand soll von ihren Lippen ablesen können, was sie sagt. So, wie sie gekommen ist, geht sie  wieder ins Wahlamt nebenan: alle ignorierend, durch die Leute hindurch blickend, die nach Informationen fragen könnten. Immer wieder. Inzwischen sind auch die Heidstocker Briefwähler mit eingerechnet, ebenso der Stimmbezirk Grundschule Haydnstraße in der Innenstadt als vorletzter Bezirk. Tautz ist hier der Sieger. Lauterbach fehlt jetzt noch. Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt.

 Nachdenkliche Mienen – uih, es wird eng: Verlierer Stephan Tautz mit Sohn Tarik und Frau Ulrike.

Nachdenkliche Mienen – uih, es wird eng: Verlierer Stephan Tautz mit Sohn Tarik und Frau Ulrike.

Foto: Thomas Seeber

Und dann – ganz ohne Schlusspfiff – ist es plötzlich amtlich: Blatt hat gewonnen. Die ersten Interviews gibt Tautz, der schon vor 18 Uhr im Saal war, während Blatt erst nach der Entscheidung zur Versammlung stößt, gefolgt von prominenten Genossinnen wie der Bundestagsruheständlerin Elke Ferner und ihrer Nachfolgerin Josefine Ortleb. Blatts politische Gegner mosern derweil schon. „274 Stimmen Vorsprung, knapp 6400 Stimmen insgesamt, die Neue wird ja von einer breiten Mehrheit getragen“, heißt es ironisch. Bereits ignorierend, dass sich 14 Tage zuvor fast 9000 Wahlberechtigte mit ihrer Stimme für Christiane Blatt ausgesprochen haben. Mehr auf Seite C 3.

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