Corona-Krise Das Virus tut dem Zahnarzt weh

Saarbrücken · Viele Zahnärzte fühlen sich durch Corona in der Existenz gefährdet und fordern Hilfe vom Bund. Die meisten Praxen im Land behandeln nur noch Notfälle.

Zahnärzte sind einem extrem hohen Ansteckungsrisiko durch das Coronavirus ausgesetzt. Denn sie beugen sich direkt über den geöffneten Mund der Patienten.

Zahnärzte sind einem extrem hohen Ansteckungsrisiko durch das Coronavirus ausgesetzt. Denn sie beugen sich direkt über den geöffneten Mund der Patienten.

Foto: dpa/Hans Wiedl

Niemand geht gerne zum Zahnarzt. Die Sorge vor dem Besuch teilen inzwischen aber auch die Zahnärzte. Denn sie beugen sich direkt über den geöffneten Mund der Patienten, sind also einem extrem hohen Ansteckungsrisiko durch das Coronavirus ausgesetzt. Nicht zuletzt, wenn sie mit Aerosol arbeiten – dem feinen Sprühnebel, der etwa beim Bohren in den Mund gespritzt wird, dort an den Schleimhäuten zurückprallt und voller Viren und Bakterien ist.

Viele Zahnarzt-Praxen behandeln inzwischen nur noch Notfälle. Vorgeschrieben ist das nicht, aber von Fachverbänden empfohlen. Das Praxispersonal sei stark verunsichert und die Ärzte besorgt, den Praxisbetrieb nicht mehr lange wirtschaftlich aufrechterhalten zu können, heißt es bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). „Diese Sorgen sind absolut nachvollziehbar und berechtigt“, sagt Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV. Vielfach drohe Kurzarbeit und immer mehr Praxen seien schon in wenigen Wochen von der Insolvenz bedroht. Und wenn sie erstmal pleite sind, seien sie mit einiger Wahrscheinlichkeit dann auch dauerhaft weg aus der Versorgung der Bevölkerung, warnt Eßer. Er fordert Hilfen des Bundes. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat diese auch zugesagt. Wie genau sie aussehen sollen, ist aber noch unklar.

„Wir haben nur noch etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten“, beschreibt der Saarbrücker Zahnarzt Dr. Wolfgang Schug die Situation. Alle Behandlungen, die aufschiebbar sind, habe er abgesagt. „Dafür hatten die Leute auch Verständnis.“ Angenommen würden jetzt nur noch Schmerzpatienten oder Wurzel- und prothetische Behandlungsfälle. Kurzarbeit für seine vier Mitarbeiter sei noch kein Thema. „Aber ich kenne viele Kollegen, die das jetzt machen“, sagt Schug. „Ich kann mir auch vorstellen, dass manche Praxis die Corona-Krise nicht überleben wird.“ In seiner Praxis habe man derzeit zwar „keine Angst, aber Respekt vor dem Virus“, sagt er.

Manche Zahnärzte wollen ihre Praxis dagegen aus Sorge vor der Ansteckungsgefahr vorübergehend schließen. Doch für zugelassene Kassenärzte gibt es eine Behandlungspflicht. Sie müssen ihren Versorgungsauftrag wahrnehmen – und dürfen nicht einfach zumachen. Für viele ist das ein Dilemma: Auf der einen Seite die Sorge (auch um die Mitarbeiter), auf der anderen Seite die Pflicht zu helfen. Die KZBV appelliert deshalb an die Zahnärzte, „Ihrer Verpflichtung, den Menschen zu helfen, gerade in Zeiten einer großen gesundheitlichen Krise durch vorbildliches ärztliches Handeln nachzukommen“. Nicht zwingend erforderliche Behandlungen sollten allerdings nicht mehr durchgeführt und die Hygienevorschriften sowie das Infektionsschutzgesetz penibel eingehalten werden, um Patienten ebenso wie Personal bestmöglich vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen.

Nach Einschätzung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung im Saarland behandelt die Mehrheit der Zahnärzte im Land inzwischen auch nur noch Notfälle. Zudem seien bereits „eine Menge Anfragen von Zahnärzten zu Kurzarbeit eingegangen“, sagt Verwaltungsdirektor Michael John. Im Saarland gibt es nach Angaben der Vereinigung rund 600 Zahnärzte und etwa 450 Zahnarztpraxen. Betont wird aber auch: „Niemand muss aus Gründen des Infektionsschutzes grundsätzlich Angst haben, eine Zahnarztpraxis zu betreten.“ Es gebe ein „sehr hohes Hygieneniveau“, jede Zahnarztpraxis verfüge zudem über ein Risikomanagement, was den Umgang mit Infektionen angehe.

Problematisch für die Zahnärzte ist zudem – wie für andere Ärzte auch – der zunehmende Mangel an Schutzausrüstung. Die KZBV hat deshalb mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen eine Vereinbarung getroffen. „In absehbarer Zeit wird neues Material eintreffen“, teilt KZBV-Pressesprecher Kai Fortelka der SZ mit. Über das Beschaffungsamt und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen der Länder würden dann die Schutzmasken, Kittel, Desinfektionsmittel und Handschuhe für die akute Notfallversorgung verteilt – auf Kosten der Krankenkassen.

Der Saarbrücker Zahnarzt Schug stellt aber auch einen Mangel an Anästhetikum fest. „Da gibt es Lieferengpässe“, sagt Schug. „Und wenn wir da nichts mehr kriegen, dann sehen wir alt aus.“

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