Veranstalter in tiefer Krise Saarländische Veranstalter stehen im Regen

Saarbücken · Staatliche Hilfen für die saarländische Veranstaltungsbranche? Gibt es kaum, sagen die Veranstalter. Wenn, dann nur vom Bund.

Die Band „Donuts“ stand 2019 bei ihrem Auftritt auf dem Rocco del Schlacko in Püttlingen ganz schön im Regen. So fühlen sich gerade die Veranstalter des Roccos. Die Corona-Krise macht ihnen zu schaffen, der Fortbestand ihres Festivals steht in den Sternen, warnt der Pop-Rat.

Die Band „Donuts“ stand 2019 bei ihrem Auftritt auf dem Rocco del Schlacko in Püttlingen ganz schön im Regen. So fühlen sich gerade die Veranstalter des Roccos. Die Corona-Krise macht ihnen zu schaffen, der Fortbestand ihres Festivals steht in den Sternen, warnt der Pop-Rat.

Foto: BeckerBredel

Fragwürdig, unverständlich, kafkaesk, so beschreibt Julian Blomann die Lage. „Man merkt bei vielen, wie Depressionen um sich greifen, die Leute tauchen plötzlich eine Woche ab und man erreicht sie nicht mehr. Das macht auch etwas mit einem.“ Blomann, einer der Betreiber der Saarbrücker „Baker Street“ und Leiter des Corona-Krisenstabs beim Pop-Rat Saarland, setzt sich motiviert für seine Branche ein, argumentiert viel und nachvollziehbar. Doch bei der Frage, wie sich Veranstalterkollegen schlagen, die aufgrund von Betriebsgröße, Form oder Sparte stärker betroffen sind als er, wird er nachdenklich.

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa liegt das Veranstaltungsleben brach, Monate des Lockdown bedeuteten über Monate hinweg null Einnahmen. Wo sich seit Mai und Juni unter anderem Gastronomie, Tourismus und bezuschusste Kultur wieder regen, bleibt es bei den meisten kommerziellen Kulturveranstaltern zappenduster, bis auf kleine Konzerte und Happenings. „Jetzt wieder kleine Konzerte stattfinden zu lassen, ist ein zweischneidiges Schwert, das verzerrt die Wahrnehmung der Bürger. Klar gibt es wieder Live, aber eben durch Steuergelder“, sagt Blomann.

Bei der Landestochter Congress-Centrum Saar GmbH, die Saarlandhalle und Congresszentrum für sonst 500 Veranstaltungen im Jahr vermietet, befindet man sich in einem Schwebezustand. „Es gibt sehr viele Veranstaltungen, die mehr als einmal verschoben wurden, irgendwann verliert man den Überblick“, sagt Sprecher Oliver Kuhn. Und wo sonst in den großen Saal der Congresshalle für ein Konzert, je nach Größe der Bühne, rund tausend Stühle passten, dürfen nun nur hundert hinein.

Das Planen generell ist schwieriger geworden, aber Herauszögern bis zum Letzten geht nicht, wie Kuhn am Beispiel des Premabüba erklärt. „In den nächsten ein bis zwei Monaten sollte man entscheiden, ob das stattfindet, aber es kann natürlich sein, dass ein halbes Jahr Vorbereitungszeit umsonst ist.“ Denn: An dem Freitag vor dem Lockdown war noch Holiday on Ice zu Gast, aber während die Künstler die 15 Uhr-Vorstellung spielten, so Kuhn, kam der Anruf, dass die ausverkaufte 18 Uhr-Show nicht mehr gegeben werden darf. „Das kann einem bei einer anderen Vorstellung jetzt auch passieren.“

In ihrem Kampf um die Existenz sucht die Veranstaltungsbranche Synergien. Deswegen haben sich Pop­­-Rat und die Plattform der saarländischen Veranstaltungswirtschaft unlängst unter dem Dach des Pop-Rats zusammengetan – um mehr Lobby-Gewicht zu entwickeln und Kräfte zu bündeln, wie Blomann erklärt. Mit einer Teilnahme an der bundesweiten Aktion „Night of Lights“ samt Demo in Saarbrücken mit 400 Teilnehmern hatte die saarländische Veranstaltungsbranche Ende Juni auf ihre Nöte aufmerksam gemacht. Doch, abgesehen von Hilfsversprechen, sei nicht sehr viel passiert. „Wir sind die einzige Branche im Saarland, die keine landesspezifischen Hilfen erhält“, sagt Blomann, und mahnt, „keiner von uns will, dass es die Garage oder das Rocco del Schlacko nicht mehr gibt. Aber genau das steht kurz bevor.“ Denn die Hilfen, die es vom Bund gebe, brächten die Branche laut Blomann kaum weiter. So seien die Berliner Überbrückungshilfen für Juni, Juli und August – 80 Prozent der eigenen Fixkosten, aber ohne Unternehmerlohn und damit ohne Deckung der Personalkosten – nicht nur nicht ausgezahlt, sondern die Antragsteller noch nicht einmal informiert worden, ob sie überhaupt mit einem positiven Bescheid rechnen können. Nun sollen diese Auszahlungen bis November kommen, doch die Konten der Veranstalter seien längst leer. Andere Bundeshilfen funktionierten nach dem Gießkannenprinzip.

Obwohl die Veranstalter seit März Gesprächsangebote an die hiesigen Ministerien gesendet hätten, habe man erst im August eine Einladung zu einem Runden Tisch ins Wirtschaftsministerium erhalten. „Ich verstehe das lange Schweigen nicht, die Firmen gehen den Bach runter und keinen interessiert es“, sagt Blomann. Zumal keine Bundeshilfe den Unternehmerlohn zahle. „In anderen Bundesländern machen sie das, nur im Saarland gibt es keine Landeshilfen, die den Unternehmerlohn ersetzen“, sagt Blomann. Trotz Ankündigungen und Hilfsversprechen, sei die Branche faktisch in derselben Situation wie Ende März. Also bei null. Blomann selbst liege mit der „Baker Street“ derzeit bei 20 Prozent des Umsatzes des Vorjahres – und schätzt sich damit vergleichsweise glücklich. „Ich bin in einer Sonderposition, weil wir eine Nische bedienen, kleine Veranstaltungen organisieren und Gastronomie anbieten, bei vielen anderen steht seit März eine große Null.“ Da helfe auch Hartz-IV nicht weiter. „Keiner bekommt Hartz IV, wir sind vorher gezwungen, die Altersvorsorge, das Lager oder das Privathaus zu verkaufen, bis einer Hartz IV bekommt, ist er ruiniert, das ist kafkaesk“, sagt Blomann, der sich auf ausdrücklich gesunde Unternehmen bezieht.

Doch der Kulturveranstalter will optimistisch bleiben, auch wenn die Pleitewelle langsam einsetze, er motiviere sich durch sein Engagement für die Veranstaltungswirtschaft. Ein Landeszuschuss für den ausgefallenen Unternehmerlohn, laut Blomann das Hauptproblem, könnte helfen. „Wir brauchen landesspezifische Hilfen.“ Das betreffe im Saarland schließlich nur „eine überschaubare Anzahl von Firmen“, sagt Blomann und meint mehrere Dutzend.

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