Unterdeck, wo die Literatur vom Fass kommt Unterdeck, wo die Literatur vom Fass kommt

Saarbrücken · Lesungen wie ein Besuch bei Freunden: Die Reihe Unterdeck in der Nautilusbar erfreut sich wachsender Beliebtheit.

Germaine Paulus (links) und Isa Theobald, beide selbst Autorinnen, veranstalten die kultigen Lesungen in der Nautilusbar. Die Dichter nehmen dabei auf einem Fass Platz.

Germaine Paulus (links) und Isa Theobald, beide selbst Autorinnen, veranstalten die kultigen Lesungen in der Nautilusbar. Die Dichter nehmen dabei auf einem Fass Platz.

Foto: Iris Maria Maurer

Sie mögen keine Lesungen, erzählen Germaine Paulus und Isa Theobald, die seit Jahren belletristische Werke schreiben und veröffentlichen. Trotzdem betreiben die beiden Autorinnen seit mehr als einem halben Jahr ein eigenes, regelmäßiges „Lesezimmer“ in der urigen Nautilus-Bar im Nauwieser Viertel in Saarbrücken.

Lange haben die Schreiberinnen, die sich vor einigen Jahren über die Leidenschaft für Literatur kennengelernt haben, so etwas in Saarbrücken vermisst. „Die Stadt hat kulturell so viel zu bieten, da durfte eine Lesebühne doch nicht fehlen“, erklärt Germaine Paulus. Auf einem Fest fassten die Literatinnen den Entschluss, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Aber es sollte ungewöhnlich, etwas Besonderes sein. „Wir wollten Lesungen wie bei Freunden“, so Isa Theobald.

Der Name für das monatliche Treiben war schnell gefunden: Unterdeck. Der passt zur urigen Atmosphäre der Nautilus-Bar, in deren Innerem sich die Gäste durch Bullaugen, Sextanten, Kupferrohre und allerlei andere nautische Gebilde in einem Schiffsrumpf wähnen dürfen. Das aber war Zufall, erklären die beiden Initiatorinnen. „Der Name war zuerst da“, behauptet die 45-Jährige Germaine Paulus.

Schließlich seien sie über einen Freund auf die Bar im Nauwieser Viertel gestoßen, die Wolfgang Nermerich dort seit eineinhalb Jahren betreibt. Ihm gefiel die forsche Art der beiden Autorinnen. „Sie haben mich gefragt, wie wir hier eine Lesebühne einrichten könnten. Das Ob stand überhaupt nicht zur Debatte“, wird Nermerich konkret.

Zusammen fanden sie für alles eine Lösung. Und so traten bislang bereits sieben Mal Autoren von der Saar, aus Rheinland-Pfalz, dem Münsterland und aus Leipzig auf – immer am ersten Donnerstag im Monat. Meist tragen sie Texte aus dem Bereich der Fantastik vor. „Das kann sich aber auch ändern“, so Germaine Paulus. „Die Autoren können bei uns mehr oder weniger machen was sie wollen“, fügt Isa Theobald hinzu. Sie sollen sich genauso wohlfühlen wie die Gäste, findet die 40-Jährige.

Für den ersten Teil des Abends sind Paulus und Theobald zuständig, „mit einer ordentlichen Portion Humor und Selbstironie“, erklärt Germaine Paulus. Einlass ist stets um 18 Uhr, die eigentliche Lesung beginnt zwei Stunden später. „Dann kann man vorher noch was Kleines essen und trinken und den Autor persönlicher kennenlernen als bei einer gewöhnlichen Lesung. Es ist sehr familiär“, so Germaine Paulus, die neben ihrer Tätigkeit als Autorin auch Herausgeberin des Saarbrücker Filmmagazins „Deadline“ ist. Isa Theobald arbeitet als Übersetzerin und Lektorin. Als solche weiß sie, dass es nicht alle Texte in den Druck schaffen. „Viele Autoren nutzen die Gelegenheit, bei uns das vorzutragen, was nicht veröffentlicht wurde, weil es zum Beispiel zu merkwürdig ist“, erzählt sie.

Und nicht nur das ist in der Nautilus-Bar speziell. Der größte Raum der Bar besteht aus zwei einzelnen Zimmern, die nur mit einen Durchgang vor der Theke miteinander verbunden sind. „Der Autor muss also hinter der Theke im spitzen Winkel zu beiden Teilen des Raumes sitzen, damit alle ihn hören und sehen können“, erklärt Wolfgang Nermerich. Damit der Autor im Sitzen überhaupt hinter der Theke hervorragt, haben die drei ein Deko-Fass zur Hand genommen, das im Sommer als Stehtisch vor der Bar diente. Auf dem sitzt der Autor während seiner Lesung. „Das ist mittlerweile so etwas wie unser Markenzeichen geworden, auf dem sich jeder Autor anschließend auch verewigt“, so Isa Theobald.

„Extrem gemischt“ sei das Publikum. Manchmal verirren sich Jugendliche in die Bar, die nichts von der Lesung wissen. „Ein paar 18-Jährige haben uns mal angesprochen und erzählt, wie lustig sie den Abend fanden, obwohl sie Lesungen eigentlich nicht mögen. Das freut einen natürlich total“, so die Autorin. Ihr Ziel, „Lesungen wie bei Freunden“ anzubieten, haben sie erreicht, finden die beiden Initiatorinnen. Isa Theobald geht noch weiter: „Wir alle sind so etwas wie eine Familie geworden, bei der man sich einmal im Monat trifft“ – und die sich stets über neue Gesichter freut, wie sie und Germaine Paulus betonen.

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